Das zweite Vaterland
durchmessen.
Die Wanderfahrt sollte, wie der Leser weiß, nur sieben bis acht Lieues lang sein, wenn es möglich war, in gerader Richtung nach dem Fuße der Berge vorzudringen.
Die Steilheit der Abhänge war aber schon so groß… (S. 213.)
Es handelte sich hier also um keine weite Reise, diese sollte aber durch ganz neue Landstrecken führen, und die drei Bergsteiger hofften dabei, manche wichtige und nützliche Entdeckung zu machen.
Der ungeduldigste und eifrigste der Drei war natürlich Jack. Hatte er sich trotz seiner abenteuerlichen Neigungen auch auf der »Licorne« nicht mit eingeschifft, um in Europa die Länder wiederzusehen, die er in früher Kindheit verlassen hatte, so rechnete er doch darauf, sich einst dafür noch schadlos zu halten, wenn die Lage seiner Angehörigen erst nach allen Seiten hin gesichert wäre. Inzwischen gewährte es ihm eine große Befriedigung, die Grenzen des Gelobten Landes zu überschreiten und die ausgedehnten Ebenen zu durchwandern, die ihm jenseit des Grünthales und des Engpasses der Cluse noch ganz unbekannt waren. Zum Glücke hatte er weder seinen wilden Esel Leichtfuß, noch den Büffel Brummer oder den Strauß Brausewind hier, um darauf zu reiten, sondern er hatte nur den Hund Falb mitgenommen. Unter diesen Verhältnissen war es auch dem Herrn Wolston ermöglicht, das gewohnte Ungestüm des jungen Mannes etwas zu zügeln.
Zunächst und nach dem Austritte aus der Thalmulde wandten sich alle Drei der kleinen Anhöhe zu, die man als Araberthurm zu bezeichnen pflegte, und zwar in Erinnerung an jene Herde von Straußen, die der ältere Zermatt und seine Kinder bei ihrem ersten Besuche des Grünthales für eine Rotte berittener Beduinen gehalten hatten.
Von diesem »Thurme« aus bogen sie nach der Bärengrotte ab, wo Ernst einst nahe daran gewesen war, von der gar zu handfesten Umarmung eines braunen Plattsüßlers erstickt zu werden.
Uebrigens konnte nicht davon die Rede sein, dem Laufe des Ostflusses zu folgen, der vom Süden des Landes her und dann nach Westen hin strömte. Mit der Verfolgung dieser Richtung wäre eine beträchtliche Verlängerung der Wegstrecke verknüpft gewesen, da sich die Abhänge der Bergkette, von hier aus gesehen, im Süden erhoben.
Hierauf Bezug nehmend, bemerkte Ernst:
»Was wir bei dem Ostflusse zu unterlassen haben, hätten wir beim Montrose-Flusse thun müssen. Sicherlich wäre es der kürzeste Weg gewesen, dem einen oder anderen seiner Ufer zu folgen.
– Ja, und ich frage mich, setzte Jack hinzu, warum die Pinasse uns nicht ganz einfach bis zu seiner Mündung gebracht hat. Von da aus konnten wir mit dem Boote bis zur Barre, also fünf bis sechs Lieues näher an die Bergkette heran gelangen.
– Das hätte freilich keinerlei Schwierigkeiten gehabt, lieber Jack, antwortete Wolston, die unfruchtbare, vom Montrose durchflossene Gegend bietet nur nicht das geringste Interesse. Es empfahl sich also von vornherein mehr, die Gebiete zwischen der Rettungsbucht und den Bergen zu durchstreifen.«
Die Wanderung ging weiter in der Landsenke des Grünthales, das eine Länge von etwa zwei Lieues hatte und parallel mit den Grenzhöhen des Gelobten Landes verlief. Reichlich tausend Toisen breit, enthielt es dichtere Waldmassen, mehr vereinzelte Baumgruppen und große, an den Abhängen übereinander liegende Wiesenflächen. Auch ein Wasserlauf schlängelte sich durch das Thal unter dichtem Schilfe murmelnd dahin, ein Bach, der entweder in den Ostfluß oder in die Nautilusbucht ausmünden mochte.
Herrn Wolston und die beiden Brüder drängte es, das Ende des Grünthales zu erreichen und einen ersten Ueberblick über die sich nach Süden hin ausdehnende Gegend zu gewinnen. Soweit es möglich war. bestimmte Ernst mittels seines Taschencompasses wiederholt die Himmelsgegenden und schrieb sich das ebenso wie die zurückgelegten Wegstrecken auf.
Gegen Mittag wurde im Schatten einer mächtigen Goyave und in ziemlicher Nähe einer Stelle, wo viele Euphorbien (Wolfsmilcharten) wucherten, einmal Halt gemacht. Mehrere Rebhühner, die Jack unterwegs erlegt hatte, wurden gerupft, ausgenommen, über hellem Feuer gebraten und bildeten nebst einigen Cassavekuchen das erste Frühstück. Der Rio lieferte dazu klares Wasser, dem man ein wenig Branntwein aus den Kürbisflaschen zusetzte, und die jetzt schön reisen Goyaven bildeten eine schmackhafte Nachspeise.
Gesättigt und frisch gekräftigt, brachen die drei Ausflügler bald nach der Mahlzeit wieder
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