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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auf.
    Das Ende des Thales lag zwischen zwei steilen und hohen Felswänden. An dieser ziemlich engen, schluchtartigen Stelle bildete der Rio eine kurze Stromschnelle, und gleich dahinter öffnete sich der Ausgang.
    Ein fast ganz ebenes Land mit der üppigen Fruchtbarkeit der Tropenzonen dehnte sich hier bis zu den ersten Ausläufern der Bergkette aus. Welcher Unterschied gegenüber dem vom Oberlauf des Montrose bewässerten Gebiete! Ungefähr eine Lieue weit im Süden schlängelte sich ein in den Sonnenstrahlen glitzernder Wasserlauf hin, der wahrscheinlich dem Bette des Montrose zuströmte.
    Im übrigen wechselten nach Süden zu und auf eine Strecke von sechs bis sieben Lieues hin freie Ebenen und Hochwald mit einander ab. Den Erdboden bedeckten Grasarten von fünf bis sechs Fuß Höhe, da und dort stacheliges, hochaufgeschossenes Schilf und breite Flächen von Zuckerrohr, das bis über Sehweite hinaus im Winde schwankte. Ohne Zweifel hätten diese Naturerzeugnisse, jener Zeit die werthvollsten Schätze der überseeischen Colonien, auch hier mit gutem Erfolge ausgebeutet werden können.
    Vier volle Stunden marschirten Wolston und die beiden jungen Leute unverdrossen dahin.
    »Ich dächte, wir könnten nun Halt machen, sagte dann Ernst.
    – Schon wieder? rief Jack, der, so wenig wie sein Hund Falb, etwas von Müdigkeit in den Beinen spürte.
    – Ich stimme Ernst bei, erklärte Wolston. Diese Stelle scheint mir dazu vorzüglich geeignet; wir könnten wohl auch die Nacht hier am Saume des kleinen Zirbelkiefergehölzes zubringen.
    – Nun, meinetwegen, so lagern wir uns hier, lenkte Jack nun ein. Wir wollen auch schleunigst etwas essen, denn ich habe einen recht hohlen Magen!
    – Sollten wir vielleicht ein Feuer anzünden und es bis zum Anbruche des Tages unterhalten? fragte Ernst.
    – Ja, das wäre klug und weise, meinte Jack, denn es ist und bleibt doch das beste Mittel, gefährliche Thiere fernzuhalten.
    – Ganz gewiß, bestätigte Wolston; dann müßten wir aber abwechselnd wach bleiben, und ich halte es doch für besser, tüchtig auszuschlafen, denn ich glaube kaum, daß wir hier etwas zu fürchten haben.
    – Nein, erklärte Ernst, nirgends hat sich eine verdächtige Spur gezeigt, so wenig wie irgend ein Heulen oder Brüllen zu hören war, seitdem wir das Grünthal verlassen haben. Da ist es wohl richtiger, wir ersparen uns die Anstrengung, einer nach dem anderen zu wachen.«
    Jack widersprach nicht weiter, und alle Drei machten es sich bequem, um ihren Hunger zu stillen.
    Die Nacht versprach, herrlich zu werden, eine jener Nächte, wo die Natur friedlich einschlummert und deren Ruhe kein Windhauch stört. Kein Blatt rührte sich an den Bäumen, kein Geräusch unterbrach die Stille der weiten Ebene. Auch der Hund verrieth kein Zeichen von Beunruhigung. Selbst aus der Ferne ertönte kein heiseres Gebell von Schakalen, obwohl diese Raubthiere auf der Insel so zahlreich hausten. Kurz, es konnte als keine Unklugheit angesehen werden, sich hier dem Schlafe unter freiem Himmel zu überlassen. Wolston und die beiden Brüder verzehrten also, was vom Frühstück noch vorhanden war, und einige Eier von kleinen Schildkröten, die Ernst gefunden und in der heißen Asche gekocht hatte, nebst frischen Früchten von Pinien, die es in der Nähe im Ueberfluß gab und deren Kern einen würzigen Nußgeschmack hat.
    Der erste, der die Augen schloß, war Jack, er war ja auch der müdeste von allen. Unausgesetzt hatte er die Dickichte und Gebüsche durchstreift und sich zuweilen so weit entfernt, daß sich Wolston gezwungen sah, ihn zurückzurufen. Wie er aber als der erste einschlief, war er auch der erste, der beim Tagesgrauen wieder erwachte.
    Sofort brachen die Ausflügler wieder auf. Nach einer Stunde mußten sie durch einen kleinen Wasserlauf waten, der sich jedenfalls zwei bis drei Lieues weiterhin in den Montrose-Fluß ergoß, wenigstens glaubte Ernst das wegen seines Verlaufes nach Südosten zu annehmen zu dürfen.
    Ueberall dehnten sich weite Grasflächen aus oder waren große Strecken mit Zuckerrohr bedeckt. Auf feuchteren Bodenniederungen erhoben sich da und dort Gruppen jener Leuchterbäume, die an dem einen Zweige Blüthen, an dem anderen Früchte tragen. Endlich zeigte sich dichter Hochwald an Stelle mancher, an den Abhängen des Grünthales nur vereinzelt vorkommender Bäume, wie von Zimmtbäumen, Palmen verschiedener Art, von Feigen-und Mangobäumen und auch eine Menge solcher, die keine eßbaren Früchte liefern,

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