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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auch im Zickzack, um den Steigungswinkel zu verkleinern, obwohl das eine längere Anstrengung kostete. Der Gipfel konnte indeß nicht erreicht werden, ohne daß die Bergsteiger sich einigemale genöthigt sahen, Halt zu machen, um Athem zu schöpfen. Fühlten sich auch Ernst und Jack, zwei kräftige, junge Leute mit täglicher Uebung in allerlei Körperanstrengungen, nicht allzusehr erschöpft, so konnte es ihnen Wolston, schon infolge seines Alters, an Kraftaufwand und Geschmeidigkeit nicht gleichthun. Er erklärte jedoch, schon zufrieden sein zu wollen, wenn er und seine Gefährten zur Frühstückszeit bis zum Fuße des Bergkegels gelangt wären. Dann mußten eine oder zwei Stunden genügen, den höchsten Gipfel zu erreichen.
    Wiederholt wurde Jack ermahnt, nicht so kühn wie eine Gemse emporzuklimmen, da ihn die Natur nun einmal nicht zur Classe dieser Kletterthiere verwiesen hätte. So ging es denn immer weiter bergauf, und Wolston war fest entschlossen, um seinetwillen keinen Halt machen zu lassen, ehe nicht der Fuß des Kegels, die obere Grenze der zweiten Bergzone, erreicht wäre. Immerhin war es noch nicht erwiesen, ob man das schlimmste Stück Weges dann schon hinter sich hätte. Von der jetzt erreichten Höhe aus konnte man wohl die Gegend nach Norden, Osten und Westen hin, nicht aber das Land überblicken, das noch nach Süden hin liegen mochte. Dazu mußte erst der Gipfel des Kegelberges erstiegen werden. Was die nach dem Grünthale zu gelegenen Landstrecken betraf, so waren diese zwischen der Mündung des Montrose und dem letzten Vorberge an der Perlenbucht ja bereits bekannt. Die sehr natürliche und völlig berechtigte Neugier der Bergsteiger konnte also nur Befriedigung finden, wenn diese den Gipfel selbst erreichten oder, im Falle, daß das unausführbar wäre, wenn sie um diesen herumgelangen konnten.
    Nach Ueberwindung der zweiten Zone mußte an deren Grenze einmal Halt gemacht werden. Eine so große Anstrengung erforderte wenigstens einige Ruhe. Es war jetzt Mittag, und nach eingenommenem zweiten Frühstück sollte der Marsch über den obersten Abhang sogleich wieder angetreten werden. Uebrigens waren alle recht hungrig geworden. Nun steht es zwar fest, daß starke physische Anstrengungen für den Magen nicht gerade vortheilhaft sind, sondern seine Verdauungsthätigkeit nicht unwesentlich beeinträchtigen; doch ohne Rücksicht darauf, ob das Frühstück gut oder schlecht verdaut würde, galt es jetzt in erster Linie, ein solches zu verzehren. Uebrigens beschränkte sich dieses in der Hauptsache auf die letzten Stücke der gebratenen jungen Antilope.
    Nach Verlauf einer Stunde erhob sich Jack wieder, sprang trotz der Warnungen Wolston’s auf die ersten Steinblöcke des steilen Abhanges und rief:
    »Wer mich lieb hat, folgt mir nach!
    – Na, wir wollen ihm diesen Beweis von Zuneigung nicht schuldig bleiben, lieber Ernst, antwortete Wolston, vor allem aber, um ihn vor Unklugheiten zu behüten!«
Vierzehntes Capitel.
Die Ankunft auf dem Gipfel des Kegels. – Umschau nach allen Seiten. – Was im Norden, Osten und Westen zu sehen war. – Das Land im Süden. – Ein Schiff am Horizonte. – Die britische Flagge.
    Drei-bis vierhundert Faß… das übertrifft nicht einmal die Höhe der großen Pyramide von Aegypten. Freilich hätte man an den Seiten des Bergkegels vergeblich die riesigen Stufen gesucht, die die Erklimmung des Pharaonenbauwerkes von Gizeh erleichtern und ohne die es ganz unmöglich wäre, nach seiner Spitze zu gelangen. Die Winkel, den die schrägen Seitenlinien des Kegels mit der Senkrechten bildeten, waren übrigens hier etwas größer als bei der großen Pyramide.
    Das Ganze bildete eigentlich nur einen ungeheueren Haufen regellos aufgethürmter Felsstücke, die meist recht unzulänglich gestützt zu liegen schienen. Daran gab es aber genug hervorspringende Ränder, Kanten, Ecken und Wülste, die dem Fuß einen sicheren Stützpunkt boten. Jack, der immer voraus war, prüfte die Sicherheit, tastete rechts-und linkshin, und indem Wolston und Ernst ihm ohne Uebereilung folgten, schwangen sie sich nach und nach von Block zu Block empor.
    Doch welch trostlose Unfruchtbarkeit herrschte in dieser dritten Zone! Nirgends entdeckte man eine Spur von Pflanzenwuchs, höchstens einige Büschel jenes mageren Sandkrautes, das mit ein paar Krümchen Erde vorlieb nimmt, und größere Bodenstücke mit trockenen Flechtenarten, die dem Felsen eine graugrüne Färbung verliehen.
    Die Hauptschwierigkeit

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