Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Euerem treuergebenen Sohn, übermittelt den geliebten Eltern, der Frau Wolston und seiner herzlieben Annah die innigsten Grüße Ernst.«
    Die Taube wurde aus ihrem kleinen Bauer genommen, und nachdem das Blättchen an ihrem linken Fuße befestigt worden war, ließ Ernst sie auffliegen.
    Anfänglich erhob sich das Thierchen noch dreißig bis vierzig Fuß über die Gipfelfläche hinaus, als suchte es einen noch größeren Gesichtskreis zu gewinnen, dann eilte es – von seinem außerordentlichen Orientierungsinstincte, diesem sechsten Sinne, der jedem Thiere verliehen zu sein scheint, geleitet – raschen Flügelschlages in der Richtung nach Norden hin und war bald den Blicken der drei Männer entschwunden.
    Nun galt es nur noch, die Flagge auf der Spitze des Pic Jean Zermatt zu hissen, und als Flaggenmast wurde der lange Bergstock Wolston’s zwischen den obersten Felsblöcken befestigt. War das geschehen, so brauchten die Ausflügler nur noch bis zum Fuße der Bergkette hinunter zu steigen und sich nach der Grotte zu begeben, um dort eine tüchtige Mahlzeit zu verzehren, wozu ja die Jagd alles nöthige zu liefern versprach, und schließlich konnten sie sich der nach einem so anstrengenden Tage wohlverdienten Ruhe hingeben.
    In der Frühe des folgenden Tages sollte dann der Rückmarsch angetreten werden. Folgten die Ausflügler dabei dem ihnen schon bekannten Wege, so erschien es nicht unmöglich, Felsenheim vor Ablauf von achtundvierzig Stunden zu erreichen.
    Wolston und Jack gingen also daran, den Stock tief im Gestein zu befestigen, um ihn auch gegen die in dieser Höhe sehr heftigen Windstöße widerstandsfähig zu machen.
    »Es kommt vor allem darauf an, bemerkte Jack, daß unsere Flagge bis zum Eintreffen der »Licorne« hier oben wehe, damit der Lieutenant Littlestone sie schon bei der Annäherung an die Insel erblicken kann. O, wie wird Fritz und Jenny, Franz, ihren Kindern, Herr Wolston, aber auch uns selbst das Herz freudiger klopfen, wenn wir erst die einundzwanzig Kanonenschüsse hören, die die Flagge der Neuen Schweiz begrüßen!«
    Der Stock ließ sich bequem in einem Felsenspalt aufstellen und wurde darin mittels kleiner Steine unbeweglich festgeklemmt.
    Gerade als Wolston dann das Flaggentuch an dessen oberem Ende anbringen wollte, hielt er, starr nach Westen hinausschauend, plötzlich inne, so daß Jack ihn verwundert ansah.
    »Was giebt es denn, Herr Wolston? fragte er.
    – Mir schien, als sähe ich doch… antwortete dieser, während er das Ocular des Fernrohres vors Auge brachte.
    – Als sähen Sie?… fiel Ernst ein.
    – Einen Rauchstreifen dort über dem Ufer, antwortete Wolston, wenn es sich nicht wieder um Dunstmassen handelt, wie ich sie schon einmal beobachtete, als die Pinasse der Montrose-Mündung gegenüber lag.
    – Zerstreut sich denn die Rauchwolke? fragte Ernst.
    – Nein, erwiderte Wolston, und sie scheint an derselben Stelle wie früher, über dem Ende der Bergkette zu schweben. Sollten etwa seit mehreren Wochen Schiffbrüchige oder gar Wilde an jener Stelle der Küste lagern?«
    Jetzt betrachtete Ernst aufmerksam den bezeichneten Punkt, konnte dort aber nichts besonderes entdecken.
    »O, Herr Wolston, rief da Jack, auf dieser Seite ist nichts zu sehen… dagegen hier… nach Süden zu…«
    Er wies dabei mit der Hand über das hohe Ufer hinweg nach dem Meere.
    »Das ist ja ein Segel! sagte Ernst.
    – Ja… unzweifelhaft… ein Segel! wiederholte Jack.
    – Dort befindet sich ein Schiff in Sicht der Insel, fuhr Ernst fort, und es scheint auf diese zuzusteuern«
    Wolston, der jetzt das Fernrohr wieder ergriff, konnte sehr deutlich einen Dreimaster erkennen, der mit allen Segeln zwei bis drei Lieues von der Küste dahinzog.
    Da rief Jack aufspringend und jubelnd:
    »Das ist die »Licorne«… das kann nur die »Licorne« sein!… Sie sollte erst gegen Mitte October eintreffen und kommt nun schon Ende September, vierzehn Tage früher…
    – Unmöglich wäre das ja nicht, meinte Wolston. Ehe wir das aber beurtheilen können, müssen wir genau wissen, nach welcher Seite jenes Fahrzeug segelt.
    – Es hält auf die Neue Schweiz zu, versicherte Jack. Morgen früh wird es im Westen der Rettungsbucht auftauchen, und wir werden zu seinem Empfange nicht anwesend sein!… Vorwärts, Herr Wolston, wir wollen die ganze Nacht hindurch wandern!«
    Ein letzter Blick Ernsts nach dem Meere hinaus hielt jedoch Jack zurück, der sich schon zum Abstieg wendete und gleich an der Seite des Kegels

Weitere Kostenlose Bücher