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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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große, pechschwarze
Fliegen herumkrabbelten. Das Badezimmer war außerdem zur Müllkippe geworden ­ Tüten voller
Abfall, Holzreste... Rebus hielt sich nicht lange dort auf und zog die Tür fest hinter sich zu.
Er beneidete die städtischen Arbeiter nicht, die irgendwann würden kommen müssen, um den
verdienstvollen Kampf gegen diesen ganzen Verfall aufzunehmen.
Eines der Zimmer war völlig leer, in dem anderen lag ein Schlafsack, der von dem Wasser, das
durch die Decke tropfte, feucht war. Jemand hatte versucht, das Zimmer etwas persönlicher zu
gestalten und Bilder an die Wand geheftet. Als Rebus näher heranging, stellte er fest, dass es
sich offenbar um eine Auswahl professionell gemachter Fotografien handelte. Selbst für Rebus'
ungeschultes Auge waren sie zweifellos gekonnt gemacht. Auf einigen war das Edinburgh Castle an
feuchten, nebligen Tagen zu sehen. Da wirkte es besonders trostlos. Andere zeigten es bei
strahlendem Sonnenschein. Es wirkte immer noch trostlos.
Auf ein paar Fotos war eine Frau unbestimmten Alters. Sie posierte für die Kamera, aber sie
grinste dermaßen, als würde sie die Sache nicht ernst nehmen.
Neben dem Schlafsack lag ein Müllbeutel, der halb voll mit Kleidung war, und daneben ein kleiner
Stapel zerlesener Taschenbücher. Harlan Ellison, Clive Barker, Ramsey Campbell. Science-Fiction
und Horror.
Rebus ließ die Bücher, wo sie waren, und ging wieder die Treppe hinunter.
»Alles fertig«, sagte der Fotograf. »Ich schick Ihnen die Fotos morgen vorbei.«
»Danke.«
»Ich mache übrigens auch Porträtarbeiten. Ein nettes Familienfoto für die Großeltern? Mit den
Söhnen und Töchtern? Hier, ich geb Ihnen meine Karte.«
Rebus nahm die Karte, zog seinen Regenmantel wieder an und lief zum Auto. Er mochte keine Fotos,
besonders keine von sich. Und das lag nicht nur daran, dass er nicht fotogen war. Nein, da
steckte mehr dahinter.
Der leise Verdacht, dass Fotos einem tatsächlich die Seele rauben könnten.

Während er durch den trägen Mittagsverkehr zur Wache zurückfuhr, dachte Rebus darüber nach, wie
ein Familienfoto von seiner Frau, seiner Tochter und ihm selbst aussehen könnte. Nein, er konnte
es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie waren sich so fremd geworden, seit Rhona mit
Samantha nach London gezogen war. Sammy schrieb zwar noch, aber immer seltener. Rebus ließ sich
nämlich stets viel Zeit mit der Antwort, und das schien sie ihm übel zu nehmen. In ihrem letzten
Brief hatte sie geschrieben, sie hoffe, dass er mit Gill glücklich wäre.
Er hatte nicht den Mut, ihr zu sagen, dass Gill Templer ihn bereits vor mehreren Monaten
verlassen hatte. Zwar hätte es ihm nichts ausgemacht, Samantha davon zu erzählen, doch die
Vorstellung, dass Rhona es erfahren würde, konnte er nicht ertragen. Schon wieder eine
gescheiterte Beziehung in seinem Leben. Gill hatte sich mit einem Diskjockey von einem lokalen
Radiosender eingelassen. Seine begeisterte Stimme schien Rebus jedes Mal zu hören, wenn er einen
Laden oder eine Tankstelle betrat ­ oder wenn er am offenen Fenster eines Mietshauses
vorbeiging.
Natürlich sah er Gill immer noch ein- bis zweimal in der Woche, bei Besprechungen oder sonst wo
auf der Wache. Besonders wo er jetzt den gleichen Rang bekleidete wie sie.
Detective Inspector John Rebus.
Hatte ja auch lange genug gedauert. Und es war ein langwieriger, harter Fall gewesen, der ihm die
Beförderung eingebracht hatte, noch dazu für ihn persönlich sehr leidvoll. Dessen war er sich
sicher.
Er war sich ebenfalls sicher, dass er Rian nicht mehr wiedersehen würde. Nicht nach der
Dinner-Party gestern Abend und nach seiner ziemlich erfolglosen Vorstellung im Bett. Eine weitere erfolglose Vorstellung. Als er neben Rian lag, war ihm aufgefallen, dass sie fast
die gleichen Augen hatte wie Inspector Gill Templer. War Rian nur ein Ersatz für sie? Für so
etwas war er nun wirklich zu alt.
»Wirst langsam alt, John«, murmelte er vor sich hin.
Unstrittig war, dass er allmählich Hunger bekam. Und gleich hinter der nächsten Ampel war ein
Pub. Was sollte der Geiz, schließlich stand ihm eine Mittagspause zu.

In der Sutherland Bar war es ruhig. Montagmittag war einer der Tiefpunkte der Woche. Das ganze
Geld war ausgegeben und man hatte nichts, worauf man sich freuen konnte. Und natürlich war das
Sutherland, wie Rebus sogleich vom Barmann zu hören bekam, nicht gerade auf Mittagsgäste
eingestellt.
»Keine warmen Mahlzeiten«, sagte er, »und

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