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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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machen. Doch er wusste, dass es aus seinem Mund sarkastisch klingen
würde. Den Tonfall seiner Stimme konnte er nicht plötzlich ablegen wie ein Kleidungsstück. Das
war ein Teil von ihm, über viele Jahre gehegt und gepflegt. Und als dann die Dozentin dem
Buchhändler zustimmte, lächelte John Rebus nur und nickte. Das Lächeln war zu starr, und das
Nicken dauerte ein bis zwei Sekunden zu lange, so dass ihn schon wieder alle anstarrten. Das
Stück Broccoli brach über seinem Teller in zwei sauber getrennte Hälften und fiel auf die
Tischdecke.
»Scheiße!«, sagte er und wusste, sobald das Wort seinen Lippen entschlüpft war, dass es nicht
ganz angemessen war, nicht ganz das richtige Wort für den Anlass. Nun ja, was war er denn,
ein Mann oder ein Wörterbuch?
»Tut mir Leid«, sagte er.
»War ja nicht deine Schuld«, sagte Rian. Guter Gott, klang ihre Stimme eisig.
Es war der perfekte Abschluss eines perfekten Wochenendes. Am Samstag war er einkaufen gegangen.
Eigentlich wollte er sich einen Anzug für heute Abend kaufen. Doch dann war er vor den Preisen
zurückgeschreckt und hatte stattdessen einige Bücher gekauft, von denen er eines Rian schenken
wollte, nämlich Doktor Schiwago. Doch dann hatte er beschlossen, dass er es lieber zuerst
selbst lesen wollte, und hatte stattdessen Blumen und Pralinen gekauft und prompt ihre Abneigung
gegen Lilien (hatte er überhaupt davon gewusst?) vergessen und dass sie gerade eine Diät
anfangen wollte.
Verdammt.
Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hatte er am Morgen eine neue Kirche ausprobiert,
ein weiteres Angebot der Church of Scotland, nicht allzu weit von seiner Wohnung entfernt. Die,
die er davor ausprobiert hatte, war ihm unerträglich kalt erschienen, alles drehte sich allein um
Sünde und Reue, doch die neue Kirche war das deprimierende Gegenteil gewesen, nichts als Liebe
und Freude, ganz nach dem Motto: gibt es denn überhaupt etwas zu verzeihen? Also hatte er die
Kirchenlieder mitgesungen und sich dann davongemacht, nachdem er dem Pfarrer an der Tür die Hand
geschüttelt und versprochen hatte, wieder zukommen.
»Noch etwas Wein, John?«
Es war der Buchhändler, der ihm die Flasche hinhielt, die er selber mitgebracht hatte. Eigentlich
war es gar kein schlechter Wein, doch der Buchhändler hatte ihn so überschwänglich gelobt, dass
Rebus sich verpflichtet fühlte abzulehnen. Der Mann runzelte die Stirn, doch seine Miene hellte
sich sogleich wieder auf, als ihm klar wurde, dass dadurch mehr für ihn übrig blieb. Schwungvoll
füllte er sein Glas.
»Cheers«, sagte er.
Am Tisch ließ man sich erneut darüber aus, wie voll es doch momentan in Edinburgh zu sein schien.
Das war mal etwas, dem Rebus zustimmen konnte. Es war jetzt Ende Mai, und die Touristensaison
begann allmählich. Doch das war es nicht allein. Wenn ihm vor fünf Jahren jemand erzählt hätte,
dass 1989 Leute aus dem Süden Englands in den Norden ziehen würden, in die Provinz Lothian, dann
hätte er laut gelacht. Jetzt war es eine Tatsache und ein geeignetes Thema für eine
Dinner-Party.
Später, sehr viel später, nachdem das Paar gegangen war, half Rebus Rian beim Abwasch.
»Was ist bloß mit dir los?«, fragte sie, aber er konnte an nichts anderes denken als an den
Händedruck des Pfarrers, an diesen zuversichtlichen Griff, der von dem sicheren Glauben an ein
Leben nach dem Tode durchdrungen zu sein schien.
»Nichts«, sagte er. »Lass das hier bis morgen stehen.«
Rian sah sich in der Küche um und zählte die schmutzigen Töpfe, die angenagten Hummergerippe, die
fettverschmierten Gläser.
»Okay«, sagte sie. »Was hast du denn stattdessen vor?«
Er zog langsam die Augenbrauen hoch, dann senkte er sie tief über die Augen. Seine Lippen
verzogen sich zu einem Grinsen, das etwas leicht Lüsternes an sich hatte. Jetzt wurde sie
kokett.
»Aber Inspector«, sagte sie. »Soll das irgendein Hinweis sein?«
»Hier ist noch einer«, sagte er, zog sie an sich und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals. Sie
quiekte und hämmerte mit Fäusten auf seinen Rücken.
»Brutaler Polizeiübergriff!«, keuchte sie. »Hilfe! Polizei, Hilfe!«
»Ja, Madam?«, fragte er, fasste sie um die Taille und trug sie aus der Küche, dorthin, wo im
Dunkeln das Schlafzimmer und der Rest des Wochenendes warteten.

Spät abends auf einer Baustelle am Stadtrand von Edinburgh. Hier sollte ein Bürokomplex
entstehen. Ein fünf Meter hoher Zaun trennte die Baustelle von der Hauptstraße. Die

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