Das zweite Zeichen
interessieren«, sagte er. »Da sind Prellungen an
seinem Körper. Bei diesem Licht nicht sehr deutlich zu erkennen, aber sie sind da.«
Rebus hockte sich hin und leuchtete noch einmal über den Oberkörper. Ja, da waren blaue Flecken.
Jede Menge blaue Flecken.
»Hauptsächlich an den Rippen«, fuhr der Arzt fort. »Aber auch einige im Gesicht.«
»Vielleicht ist er gefallen«, meinte Rebus.
»Vielleicht«, sagte der Arzt.
»Sir?« Es war einer der Constables. Sein Blick und seine Stimme hatten etwas Dringliches. Rebus
wandte sich ihm zu.
»Ja, mein Junge?«
»Kommen Sie und sehen Sie sich das mal an.«
Rebus war nur zu froh über diesen Vorwand, sich von dem Arzt und seinem Patienten entfernen zu
können. Der Constable führte ihn zur hinteren Wand, auf die er die ganze Zeit die Taschenlampe
richtete.
Plötzlich sah Rebus die Ursache.
Auf der Wand war eine Zeichnung. Ein fünfzackiger Stern, umgeben von zwei konzentrischen Kreisen,
von denen der größere einen Durchmesser von etwa einem Meter fünfzig hatte. Die Zeichnung war gut
gemacht, die Linien des Sterns gerade, die Kreise fast exakt. Die restliche Wand war kahl.
»Was halten Sie davon, Sir?«, fragte der Constable.
»Ist jedenfalls keins der üblichen Graffiti.«
»Hexerei?«
»Oder Astrologie. Eine Menge von den Drogentypen stehen auf diesem mystischen Zeug und
Zauberkram. Gehört wohl dazu.«
»Die Kerzen...«
»Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen, mein Junge. Auf die Weise schaffen Sie es nie zur
Kriminalpolizei. Sagen Sie mir doch mal, warum wir alle Taschenlampen haben?«
»Weil der Strom abgestellt ist.«
»Richtig. Daher die Kerzen.«
»Wenn Sie meinen, Sir.«
»Ja, das meine ich, mein Junge. Wer hat die Leiche gefunden?«
»Ich, Sir. Es kam ein Anruf von einer Frau, anonym, vermutlich auch eine von den Hausbesetzern.
Die scheinen Hals über Kopf abgehauen zu sein.«
»Es war also sonst niemand hier, als Sie kamen?«
»Nein, Sir.«
»Schon irgendeine Vorstellung, wer das ist?« Rebus deutete mit der Taschenlampe auf die
Leiche.
»Nein, Sir. Und die anderen Häuser sind auch alle besetzt, deshalb bezweifele ich, dass wir da
irgendwas rauskriegen.«
»Ganz im Gegenteil. Wenn irgendjemand weiß, wer der Verstorbene ist, dann diese Leute. Schnappen
Sie sich Ihren Kollegen und klappern Sie ein paar Türen ab. Aber seien Sie ganz locker, damit die
auf keinen Fall glauben, Sie wollten sie wieder auf die Straße setzen oder sonst was.«
»Ja, Sir.« Der Constable hielt dies offenbar für ein zweifelhaftes Unterfangen. Zum einen war er
sicher, dass er reichlich Ärger kriegen würde. Zum anderen regnete es immer noch heftig.
»Ab mit Ihnen«, schalt Rebus mit sanfter Stimme. Der Constable trottete davon und sammelte
unterwegs seinen Kollegen ein.
Rebus sprach den Fotografen an.
»Sie machen aber viele Fotos«, sagte er.
»Das muss ich bei diesem Licht auch, damit wenigstens ein paar etwas werden.«
»Sie waren ja ganz schön fix hier, was?«
»Befehl von Superintendent Watson. Er will Fotos von allen Zwischenfällen, bei denen Drogen im
Spiel sind. Es geht um seine Kampagne.«
»Das hier ist aber ein bisschen grausig, finden Sie nicht?« Rebus kannte den neuen Chief
Superintendent, war ihm bereits mehrfach begegnet. Ausgeprägtes soziales Bewusstsein und sehr
engagiert. Voller guter Ideen, aber ohne das nötige Personal, sie in die Tat umzusetzen.
Rebus hatte eine Idee.
»Wenn Sie schon einmal hier sind, könnten Sie auch noch ein oder zwei Fotos von dieser Wand da
machen.«
»Kein Problem.«
»Danke.« Rebus wandte sich erneut an den Arzt. »Wann werden wir wissen, was in diesem vollen
Päckchen ist?«
»Im Laufe des Tages, spätestens morgen Früh.«
Rebus nickte vor sich hin. Warum interessierte ihn diese Sache überhaupt? Vielleicht lag es ja an
dem trüben Tag oder an der Atmosphäre in diesem Haus oder an der Art, wie die Leiche dalag. Er
wusste nur, dass er irgendetwas spürte. Und wenn es nur die Feuchtigkeit war, die er in den
Knochen spürte, irgendetwas war da. Er verließ den Raum und sah sich den Rest des Hauses
an.
Der wirkliche Horror war das Badezimmer.
Die Toilette musste bereits seit Wochen verstopft sein. Auf dem Fußboden lag ein Gummisauger.
Also hatte wohl jemand einen halbherzigen Versuch gemacht, die Verstopfung zu beseitigen, aber
ohne Erfolg. Stattdessen war das kleine verdreckte Waschbecken zum Pissoir umfunktioniert worden,
während die festen Teile in der Badewanne gelandet waren, wo zahlreiche
Weitere Kostenlose Bücher