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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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fragte ich mich, rasiert seine Wangen aus, und die Kehle, wer pflegt seine glatte weiße Haut, eine mondsüchtige Haut, fiel mir ein, und ich lachte vielleicht zu laut vor mich hin, schlug sogar einmal kurz mit der Hand auf das Tischtuch, er zuckte zurück, können Sie in Vollmondnächten schlafen?, aber Maurizio hatte sich in den Rollstuhl zurücksinken lassen, und viel später stieß er einen wilden Schrei aus, der sein Gesicht jäh verzerrte, doch kaum öffneten sich wieder seine Augen, da lachten die Mundwinkel auch schon einem Spieler zu, der eine Partie beendet hatte und nun an die Theke trat, ein Weinglas leerte und dabei den schwarzen Hängeschnurrbart nach vorne reckte.
    In der Nacht glänzte der Asphalt vom Regen, den er unter den Kartenspielern sitzend versäumt hatte. Er streifte mit den Ellbogen die Stäbe eines Parkgitters entlang, sogar die Platanen und Akazien standen wie mit Handschellen versehen, schien ihm, er hätte nur über die matt schimmernden Metallspitzen des Zaunes springen müssen, doch zu wem? Wem könnte ich den Finger auf das Augenlid legen? Ich fange an, die Urinlachen der Hunde zu beachten, vielmehr die geographischen Umrisse dieser Lachen zu studieren, und sehe darin verzerrtere Bilder als irgendwo früher und andernorts.
    Er überquerte, am Brunnen der vier Winde vorbei, den großen Platz und bog in die Gasse der Huren ein, allein stand er an einer Theke, den farbenschrillen Fernsehkasten über dem Kopf, langsam trank er ein Glas Schaumwein, und erst nach einer Weile verfing er sich im schiefen Blick einer Frau. Während er das Glas auf den Tresen setzte, sah er die Augen dieser Frau, und obwohl er das Berufsmäßige daran zu erkennen glaubte, zog ihn dieser quere Blick an, so, dachte er, muß es zum Ende hin gehen. Er hätte ihr seine Hände vorzeigen können, die leeren Flächen, aber er fragte sie nur, ob sie noch ihre eigenen Zähne habe. Sie antwortete nicht gleich, er versuchte die Falten ihrer Wangen zu zählen.
    Nein, nur die unteren Zähne, sagte sie, seien noch ihre eigenen.
    In ihm war kein Ekel.
    Sie habe eine große Lust zu leben, sagte sie.
    Der Wind hatte die Stadt saubergeleckt wie ein Hund einen Fleischteller. Ohne daß er sich betrunken gefühlt hätte, streifte Lukas in regelmäßigen Abständen mit einer Schulter eine Hausmauer, er ließ sich gegen die Mauer fallen und wippte weg, kippte hin und drückte sich weg. So erreichte er eine breite Straße, auf der anderen Seite standen in einem schmalen Winkel ein paar Bäume, Akazien und Platanen, dazwischen einige Bänke und zwei gelbgerandete Telefonkabinen. Er zog mehrere Spiralen um die Kabinen und dachte doch nicht ans Telefonieren, vielmehr vergnügte er sich damit, die Telefonmünzen in der Jackentasche mit den Fingern zu einem unhörbaren Klimpern zu bringen.
    In der Bar auf der anderen Seite des Platzes ließ ihn der Barmann unter den halb heruntergelassenen Rollos durchschlüpfen und wärmte ihm mitten in der Abrechnung des Tagesumsatzes noch einen Toast auf dem Grill. Auf dem Fernsehschirm flimmerten bei abgeschaltetem Ton Filmszenen, deren Landschaften und Häuser den Landschaften und Häusern in anderen Filmen ähnelten, und dennoch blieb sein Blick immer wieder daran hängen, auch wenn er sich mehrfach umsah zu den roten und gelben und blauen Polstern auf den Stahlrohrsesseln und den gerafften Rüschen der Perlonvorhänge, die mannshoch aufgezogen waren, so daß er plötzlich zwischen den vorbeirasenden Autos ganz deutlich Johannas Gesicht erkannte, tatsächlich ein Grimassen schneidendes Gesicht, zweifellos Johannas schmales, wenn auch ungewöhnlich grell geschminktes Gesicht. Mit einem Satz sprang er zum Ausgang und schlüpfte mit geducktem Kopf unter dem Rolladen hindurch auf die Straße, aber die Straße war leer, nicht einmal von fern hörte er noch das Trippeln eines Schrittes.
    Ãœber eine Treppe herab könnte sie ihm jetzt entgegenkommen, er würde sie vorbeigehen lassen, auf dem oberen Treppenabsatz würde er stehenbleiben, sich umdrehen, und sie ginge über den Platz, in weißer Jacke und in weißen Hosen, langsam und geschmeidig würde sie über den Platz gehen, ohne Hüftenschwingen, ein ruhiges, rhythmisches Gehen auf Katzenfüßen, und doch aufrecht.
    Sie hätten keinen großen Sternenhimmel über sich, aber einmal doch die Laubkrone

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