Dauerhaftes Morgenrot
einer Kastanie, Johanna liegt im Gras, es ist voller Disteln, er schiebt seine Jacke unter ihren Rücken; während sich sein Gesicht in ihren Schoà drückt, richtet sich ihr Oberkörper auf, immer wieder versucht sie sich über ihn zu beugen, und einmal erreicht sie sein Haar und zaust es, streichelt darüber und zaust es, ohne daran zu reiÃen. Sie liegen unter den gelben Wolken von blühenden Edelkastanien, auf Disteln und dürren Schalen, riechen den wilden Fenchel, und doch fürchtet er, es könnte eine Glaswand zwischen ihnen immer wieder nachwachsen.
Neben dem Toastteller liegt noch sein Hut, den ihm der Barmann sofort entgegenstreckt, er hält die Krempe zwischen Daumen und Zeigefinger, so daà Lukas das kleine weiÃe Billett erkennen kann, das zwischen Hutrand und Daumen steckt, und auf dem Billett die mit einem blauen Kugelschreiber hingeworfenen Zahlen. Der Mann bekommt gefältelte Lachwangen, aber er nickt ihm kaum zu.
Am nächsten Morgen ist der Horizont im Nebel erstickt, Lukas weià nicht, warum er es tut, aber er überquert die KaistraÃe und geht durch eine Gasse, bis ans Ende, wo sie in einen asphaltierten Promenadenweg einmündet, dort steht an einer Hausecke ein schwarzer Müllkübel, von allen Seiten sichtbar, Lukas wirft den Dekkel ab und beginnt zwischen den schlüpfrigen Nylonsäcken zu wühlen, als ob er hungrig wäre, er zerreiÃt auch einige Säcke, verschmiert sich die Hände, bekleckert die Jackenärmel, zerschneidet sich die Finger am Deckelrand einer Konservenbüchse, bringt es aber nicht über sich, die Büchse auszuschlecken. Nach einer Weile geht er weiter, den steilen Asphaltpfad hinauf: in ausgegossenen Betonlöchern stehen Laternenpfähle, die noch nicht einzementiert sind und die er nacheinander mit einem kurzen Stoà ins Schwanken bringen kann. Er erschrickt nicht, als ihn jemand in fremder Sprache anredet, ihn jäh aus dem Hinterhalt, wie er denkt, anredet. In einem schwarzen Mantel lehnt ein Mann in einer Hausnische, mit verklebten Haaren und nackten FüÃen in Halbschuhen, ein dicklippiges Gesicht, das ihn, wie er glaubt, schon eine Weile beobachtet hat, er meint sogar, die braunen Schuhe beim Wühlen im Abfallkübel aus den Augenwinkeln heraus gesehen zu haben.
Jetzt verbeugt sich der Mann kriecherisch vor ihm und wünscht ihm einen schönen Tag: Kommen Sie von anderswo? Er streckt die Hand aus, und Lukas kramt ein paar Münzen aus der Jakkentasche und läÃt sie zwischen die FüÃe des anderen fallen, er hört ein gemurmeltes Fluchen und ein Geräusch, als spucke jemand hinter ihm her, doch er dreht sich nicht um, sondern steigt mit gleichmäÃigen Schritten den gewundenen Weg hinauf.
In einer Telefonkabine wählte er die Nummer, die ihm der Barmann aufgeschrieben hatte, durch die Glasscheibe sah er orangerot gekleideten Männern zu, wie sie Müllkübel in das Saugmaul eines Lastwagens kippten. Endlich antwortete eine gereizte Stimme, eine Frau: Das Fräulein ist nicht zu Hause, und legte auf, und so oft er es auch versuchte, fiel ihm nur die kreischende Stimme ins Ohr: Das Fräulein ist nicht zu Hause.
Er wanderte das letzte Stück zur Basilika über einen Pflasterweg hinauf, jeder Pflasterstein ein römischer Quader, viermal gröÃer als ein Kopf, und dazwischen gammelten Grashalme und Huflattich, beinahe eine kleine Macchia.
In der Kirche setzte er sich in eine der hinteren Bänke und versuchte mit aufgerissenen Augen die Dunkelheit des Raumes zu durchdringen, vorne stand grauweià der Altar, und nur ein rotes Lämpchen brannte über diesem kleinen Tisch, auf dem täglich das Lamm geschlachtet wurde, auf dem Blut floà und Wein verschüttet wurde, und über dem der Atem Gottes wehte. Trotz der dämmrigen Unbeleuchtetheit schrie ihn die Leere an, als ob Scheinwerfer durch die hohen Fenster auf ihn herunterstrahlten. Die einzigen Menschen um ihn her waren an diesem Vormittag einige vor dem Altar kauernde Frauen, schwarz und an Haltung und Frisur unterscheidbar.
Wo hast du
Livias Perücke, fragen sie ihn, he!
Und der Silberring?, ist der noch im Bach?
Ich habe mich
an fast alles gewöhnt.
Komm uns nicht mit Pflicht
und Gewöhnung.
Beim Verlassen der Kirche muÃte er an sich halten, um nicht die Hand auszustrecken und eine der hundert brennenden Kerzen zu knicken. Wenn er die Augen schloÃ, roch es nicht
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