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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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aus über ihren Augen, und der Kognak tröpfelt in ihre Augen und löscht sie aus.
    Er wechselt in dieser Schweißnacht zweimal seinen Anzug: zuerst blaue Kordjacke mit braunen Lederflecken auf den Ellbogen und graue Tweedhose, dann cremebraunes Leinensakko und weiße Baumwollhose, jedesmal mit rotem Hemd.
    Auf dem Balkon daheim hatte er sich einmal vorgestellt, wie Livia im Bett neben ihm die Haare verlor, den Kopf hob und die Haare auf dem Kissen zurückließ, er stellte sich vor, wie ihre Arme aufschwollen, wie das Wasser ihre Arme und Beine und den Bauch aufquellen ließ. Flüsternd wiederholte er mehrmals: Binde dir ein Kopftuch um, und als Livia endlich die Hand auf seinen Mund legte und fragte, was soll ich tun?, sagte er: Breite dein schönstes Kopftuch unter das Kissen, für alle Fälle.
    Auf dem Balkon stehend hatte er in den Tanz eines Schwarms von Mauerseglern geschaut, sie flogen so nahe heran, daß ihm zeitweilig war, als umschwirrten sie ihn, er versuchte sie zu zählen, konnte aber kaum zwei lang genug in den Blick fassen, um sicher zu sein, daß es dieselben waren. Insgesamt nahm er sie, so wie sie auf- und niedertauchend ihre Flugschleifen zogen, als eine natürliche Einladung, und er lachte stumm, griff auch automatisch zum Mund, um sich seines Lachens gewiß zu sein und winkte ins Blaue hinein.
    Deine Zähne, hatte er Livia angeschwärmt, Mädchenzähne, und hatte gedacht: mühsam und peinvoll durch ein Metallgerüst in künstliche Ordnung gepreßt, und deine roten Haare, hatte er sie angeschwärmt, warum trägst du sie nicht offen, warum, und sie lachte ihn an und lachte immer lauter, während ihre Finger mit dem mehrfach herumgeschlungenen Gummiband spielten und es aufzuknüpfen begannen, doch plötzlich muß sie seine Gedanken erraten haben, denn sie ließ den gefärbten Zopf nur halb aufgelöst in ihrer Hand und warf ihn dann über ihre Schulter.
    Sie aber fragten ihn, ob er fröhlich sei.
    Laßt meine Hände frei, nur für einen
    Augenblick, sagte er,
    um die Tischkante anzufassen,
    und gebt mir ein Glas Wein.
    Du willst dich also erinnern, lachten sie.
    Nein, ich will euch vergessen.
    Uns oder sie? Du hast sie
    angehimmelt,
    eingelullt,
    sehr raffiniert,
    mit Zärtlichkeit.
    Das Unwichtige wird wichtiger, sagte er.
    Da wieherten sie auf, und einer fauchte:
    Wundenlecker!
    Er wunderte sich, als er einige Stunden später erwachte, und war froh, den Hut am Haken neben dem Schrank sofort zu erkennen. Ein schwacher Lichtstrahl fiel ins Zimmer, es regnete nicht mehr, aber die Fensterläden klapperten noch leise, er zog die Decke dicht zu sich herauf, wikkelte sich darin ein, zog sie auch über das Gesicht und rollte sich ein, rollte ein wenig hin und her, bis er wieder alles vergaß, auch Livias Tabletten, und einschlief.
    Mit einem Sprung kam er gegen Mittag auf die Beine, und obwohl es hell war, knipste er alle Lampen an, auch die über dem Waschbecken. Sei es, sagte er laut ein paarmal vor sich hin, sei es, und dabei wußte er nicht annähernd, was nun sein sollte, er hätte auch sagen können: ich bin mit allem einverstanden. Schneegraupel oder Hagelschloßen, die gegen das Fensterglas schlugen mit Klickklack, hatten ihn geweckt, er hatte vergessen, die Fensterläden zu schließen und einer war zur Seite geklappt. Er sah Eiskörner von den halbrunden Ziegeln der niederen Dächer springen, sah gefrierenden Regen, Schneeregen, der die blaßroten Ziegel noch blasser färbte und allmählich mit einer grauen Schicht bedeckte. Er blickte so lange mit verkniffenen Augen in das weißliche Flimmern, bis sich die Schneekörner zu hauchdünnen Glaskugeln verformten, er glaubte sogar ein sehr feines Kitzeln zu spüren, als ob sie auf seinen Wimpern zerspringen würden, unwillkürlich begann er mit dem Oberkörper nach vorn und nach hinten zu wippen, so daß er mit diesen Glaskugeln eine Art Ballspiel anfing, wobei die Bälle größer und kleiner wurden mit der langsamen oder schnelleren Bewegung seines Körpers und mit der Konzentration seiner Augen. Er wagte nicht, das Fenster aufzustoßen, obwohl er gern gewußt hätte, ob die Tauben in seiner Nähe schliefen oder ob sie unter dem Dachgebälk auch auf die hüpfenden Graupelkörner blickten.
    Das Waschbecken ist schwarz von seinen Bartstoppeln, er läßt seine Hand darauf ruhen, während er sein

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