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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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aber nicht, dass ich nicht auch andere Möglichkeiten erwägen kann. Vielleicht gibt es ja gar keine Eier in der Stadt. Was dann? Hast du noch Familie in Piter?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Immerhin etwas Gutes. Dann geht es nur darum, unsere eigene Haut zu retten.«
    An den Mauern ausgebrannter Lagerhäuser waren Plakate angeschlagen: HAST DU DICH SCHON ZUR VOLKSMILIZ GEMELDET? Es gab keine Wohnhäuser in dieser Gegend, und die Straße war leer, außer uns war niemand unter dem farblosen Himmel unterwegs. Wir hätten die beiden letzten Überlebenden des Krieges sein kö nnen, die beiden letzten Vertei diger der Stadt, mit nichts weiter als meinem gestohlenen Messer und Koljas angeblich flinken Fäusten, um die Faschisten abzuwehren.
    »Der Heumarkt ist unsere beste Chance«, sagte Kolja. »Ich war mal vor ein paar Monaten da. Da gab's noch Butter und Käse, vielleicht sogar ein bisschen Kaviar.«
    »Wieso konnten dann die Männer des Obersts keine Eier auftreiben?«
    »Weil das der Schwarzmarkt ist. Die Hälfte von dem Zeug dort ist gestohlen. Da gibt's Leute, die ihre Lebensmittelkarten verschachern, alles Mögliche, was verboten ist. Die verkaufen nichts an Uniformierte. Schon gar nicht an Uniformierte vom NKWD.«
    Das Argument erschien einleuchtend. Kolja pfiff tonlos eine selbst erfundene Melodie vor sich hin, und so gingen wir Richtung Süden zum Heumarkt. Die Sache sah schon rosiger aus. Unsere Hinrichtung stand nicht mehr unmittelbar bevor. Ich hatte mehr Essen im Magen als seit Wochen, und der starke Schwarztee wirkte anregend. Meine Beine schienen kräftig genug, mich überallhin zu tragen, wohin ich musste. Irgendwo hatte irgendjemand ein Dutzend Eier, und die würden wir zu guter Letzt finden. In der Zwischenzeit stellte ich mir in meiner Fantasie genüsslich vor, wie die Tochter des Obersts nackt auf der Newa Schlittschuh läuft und ihr heller Hintern in der Sonne leuchtet.
    Kolja klopfte mir auf den Rücken und grinste mich obszön an, als wäre mein Schädel aus Glas und er hätte meine Gedanken lesen können.
    »Bemerkenswertes Mädchen, stimmt's? Bei der würdest du's gern mal versuchen.«
    Ich gab keine Antwort, aber Kolja schien lange Übung darin zu haben, einseitige Gespräche zu führen.
    »Das ganze Geheimnis dabei, eine Frau zu erobern, ist geflissentliche Nichtbeachtung.«
    »Was?«
    »Uschakowo. Ein Satz aus Der Hofhund. Ach, richtig, du hast das Buch ja nie gelesen.« Kolja seufzte, angeödet von meiner Unwissenheit. »Dein Vater gehörte zur Intelligenzija, und dich hat er als Banausen aufwachsen lassen. Ganz schön traurig.«
    »Hör endlich mit meinem Vater auf.«
    »Radtschenko, der Protagonist, ist ein großer Liebhaber. Die Leute kommen aus ganz Moskau, um sich bei ihm Rat über Frauen zu holen. Er verlässt nie sein Bett, er liegt nur da, trinkt Tee und ...«
    »Genau wie Oblomow.«
    »Überhaupt nicht wie Oblomow! Warum sagen alle ständig: >Genau wie Oblomow    »Weil es sich genau wie Oblomow anhört.«
    Kolja blieb stehen und blickte auf mich herunter. Er war einen Kopf größer und hatte doppelt so breite Schultern wie ich, und er ragte wie ein Koloss vor mir auf, einen drohenden Blick in den Augen.
    »Jeder akademisch Halbgebildete weiß, dass Gontscharow auch nicht annähernd so ein guter Schriftsteller wie Uschakowo war. Oblomow ist gar nichts. Oblomow ist eine Mo ra l predigt für die Bourgeoisie, ein Traktat, das man seinen Kindern zu lesen gibt, damit sie nicht faul werden. Aber Rad tschenko - Radtschenko ist einer der großen Helden unserer Literatur. Er und Raskolnikow und Besuchow und vielleicht noch Tschitschikow.«
    »Du spuckst mich an.«
    »Du hast es ja auch verdient, angespuckt zu werden.«
    Ich ging wieder Richtung Süden weiter, und obwohl Kolja verärgert war, schloss er sich bald an. Das Schicksal hatte uns zusammengeführt, daran war nicht zu rütteln. Bis zum Donnerstag waren wir miteinander verheiratet.
    Über dem mit Schnee gepuderten Eis der Newa saß noch immer der goldene Engel auf der vergoldeten Turmspitze der Peter-Paul-Kathedrale, obwohl es hieß, die Wehrmacht habe dem Kanonier, der ihn abschoss, das Eiserne Kreuz versprochen. Kolja deutete mit dem Kinn hinüber zur Petrograder Seite.
    »Ich war in der Festung stationiert, als der Zoo bombardiert wurde.«
    »Ich habe gehört, Paviane seien durch die Stadt gerannt, und ein Sibirischer Tiger ...«
    »Alles pure Erfindung«, sagte er. »Kein einziges Tier ist entkommen.«
    »Ein paar vielleicht

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