Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Honig, Mehl und was sonst noch dazugehört.«
    Ich stellte sie mir vor, die Tüten mit Zucker, die Gläser mit Honig, das Mehl, das bestimmt richtiges Mehl war, nicht schimmeliges Bergungsgut von einem torpedierten Lastkahn. Allein von dem Teig hätte das halbe Kirow vermutlich zwei Wochen leben können.
    »Sie hat alles, was sie braucht, alles außer den Eiern.« Wieder dieser ominöse Blick. »Eier«, sagte der Oberst, »sind schwer aufzutreiben.«
    Eine Weile schwiegen wir alle und sahen der Tochter des Obersts beim Eislaufen zu.
    »Vielleicht hat die Flotte welche«, sagte Kolja.
    »Nein. Hat sie nicht.«
    »Die haben Büchsenfleisch. Ich habe bei einem der Matrosen ein Päckchen Spielkarten gegen Büchsenfleisch eingetauscht...«
    »Die haben keine Eier.«
    Ich halte mich nicht für dumm, aber es dauerte ziemlich lange, bis ich kapierte, worauf der Oberst hinauswollte, und noch länger, bis ich all meinen Mut zusammengenommen hatte, um es auszusprechen.
    »Sie wollen, dass wir Eier besorgen?«
    »Ein Dutzend«, sagte er. »Sie braucht nur zehn, aber ich könnte mir denken, dass eines kaputtgeht, das eine oder andere schlecht ist.« Er bemerkte unsere Bestürzung, lächelte sein wundervolles Lächeln und packte uns so fest bei den Schultern, dass ich mich noch gerader hinstellte. »Meine Männer behaupten, dass es in Leningrad keine Eier gibt, aber ich bin überzeugt, dass in Leningrad alles zu haben ist, selbst heutzutage, ich brauche nur die richtigen Burschen dazu, um die Eier zu finden. Nämlich zwei Diebe.«
    »Wir sind keine Diebe«, sagte Kolja sehr selbstgerecht und sah dem Oberst fest in die Augen. Ich hätte ihn ohrfeigen können. Von Rechts wegen hätten wir längst tot und steif gefroren sein müssen, aufgestapelt auf einem Schlitten zusammen mit den anderen Leichen des Tages. Wir hatten Strafaufschub erhalten. Das Leben war uns zurückgegeben worden im Austausch gegen eine einfache Aufgabe. Eine merkwürdige Aufgabe, mag sein, aber doch recht einfach. Und jetzt ruinierte er alles - er forderte seine Erschießung heraus, was an sich schlimm genug war, aber er forderte damit auch meine Erschießung heraus, und das war viel schlimmer.
    »Ihr seid keine Diebe? Du hast dich unerlaubt von der Truppe entfernt - nein, sei still, sag jetzt nichts. Du hast dich unerlaubt von der Truppe entfernt und deine Rechte als Soldat der Roten Armee dadurch verwirkt - das Recht, ein Gewehr zu tragen, diesen Mantel zu tragen, diese Stiefel. Folglich bist du ein Dieb. Und du, Großnase, du hast eine Leiche ausgeplündert. Eine deutsche Leiche, was mir persönlich nichts weiter ausmacht, aber Plündern ist Diebstahl. Also lassen wir die Spielchen. Ihr seid beide Diebe. Schlechte Diebe, zugegeben, inkompetente Diebe, selbstredend, aber ihr habt Glück. Die guten Diebe haben sich nämlich nicht schnappen lassen.«
    Er drehte sich um und ging zurück zum Haus. Kolja und ich sahen weiter der Tochter des Obersts zu, deren Fuchspelz in der Sonne glänzte. Sie musste uns inzwischen gesehen haben, schenkte uns aber keine Beachtung, würdigte uns keines Blickes. Wir waren zwei Lakaien ihres Vaters und somit völlig uninteressant. Wir sahen ihr zu, solange wir konnten, versuchten uns das Bild für später ins Gedächtnis einzuprägen, bis der Oberst uns anblaffte und wir ihm schleunigst folgten.
    »Habt ihr eure Lebensmittelkarten dabei?«, fragte er, nun forsch ausschreitend, denn die kurze Pause war vorbei und er wieder bereit für seinen langen Arbeitstag. »Her damit.«
    Ich hatte meine immer mit einer Sicherheitsnadel an der Innentasche meines Mantels befestigt. Ich machte sie ab und sah, dass Kolja seine aus einer hinuntergeschobenen Socke zog. Der Oberst nahm sie uns ab.
    »Ihr bringt mir die Eier bis Donnerstag Sonnenaufgang, dann kriegt ihr sie zurück. Wenn nicht, könnt ihr den ganzen Januar Schnee fressen, und dann gibt's auch im Februar keine Lebensmittelkarten. Immer vorausgesetzt, dass keiner meiner Männer euch vorher aufgreift und abknallt, und meine Männer verstehen ihr Handwerk.«
    »Sie können bloß keine Eier auftreiben«, sagte Kolja.
    Der Oberst lächelte. »Du gefällst mir, Bürschchen. Du wirst zwar nicht alt werden, aber du gefällst mir.«
    Wir betraten den Wintergarten. Der Oberst setzte sich an seinen Schreibtisch und starrte auf das schwarze Telefon. Er zog die Augenbrauen hoch, da ihm etwas einfiel, machte die Schreibtischschublade auf und holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Er hielt es

Weitere Kostenlose Bücher