DavBen-StaderDie
ein; die Deutschen warfen nur ein paar lustlose Granaten auf die Stadt, wie um uns daran zu erinnern, dass sie noch da waren, an diesem speziellen Abend aber Besseres zu tun hatten; um Mitternacht waren wir betrunken und unsere Bäuche voll, Kolja und Sonja vögelten wieder im Schlafzimmer, während ich im Schein des Ofens mit Timofei Schach spielte.
Im Mittelspiel der zweiten Partie machte ich einen Zug mit meinem Springer; Timofei starrte auf das Brett, rülpste und sagte: »Oh. Du bist gut.«
»Geht dir das erst jetzt auf? Wo ich dich schon in der letzten Partie in sechzehn Zügen matt gesetzt habe?«
»Hab gedacht, es liegt am Wodka ... Ich bin im Arsch, stimmt's?« »Noch bist du dabei. Aber nicht mehr lange.«
Er legte seinen König um und rülpste wieder, zufrieden, dass er rülpsen konnte, zufrieden, dass er etwas im Magen hatte.
»Hat ja doch keinen Sinn mehr. Was soll's. Du kannst zwar ein Huhn nicht von einem Hahn unterscheiden, aber Schach spielen kannst du.«
»Früher war ich besser.« Ich stellte seinen König wieder auf und führte den Zug für ihn aus, wollte sehen, wie lange ich das Endspiel hinziehen konnte.
»Früher warst du besser? Wann denn, als Embryo? Du bist doch höchstens vierzehn.«
»Ich bin siebzehn!«
»Rasierst du dich schon?«
»Klar.«
Timofei schien es zu bezweifeln.
»Ich hab meinen Schnurrbart abrasiert... Im Winter wächst er langsamer.«
Im anderen Zimmer stöhnte Sonja und begann zu lachen, zwang mich, sie mir bildlich vorzustellen, den Kopf nach hinten geworfen, den Hals entblößt, die Nippel hart auf ihren kleinen Brüsten.
»Ich weiß nicht, woher die beiden die Energie nehmen«, sagte Timofei, legte sich auf den aufgestapelten Wolldecken zurück und breitete die Arme aus. »Gib mir jeden Abend Hühnersuppe, und ich brauche mein Lebtag lang keine Frau mehr.«
Er schloss die Augen und war kurz darauf eingeschlafen, wieder einer von denen, die überall fest schlafen können, sodass nur noch ich den Liebenden zuhörte.
Kolja weckte mich vor Morgengrauen mit einer Tasse Tee und studierte dann die verbliebenen Figuren auf dem Schachbrett. Timofei schlief noch immer auf dem Rücken, den Mund offen, die Arme über dem Kopf ausgestreckt, als ergäbe er sich dem Feind.
»Wer war Schwarz?« »Ich.«
»Du hättest ihn in sechs Zügen geschlagen.« »In fünf. Und wenn er einen Fehler gemacht hätte, sogar in drei.« Kolja betrachtete stirnrunzelnd die Figuren, bis er es ausgeknobelt hatte. »Du kannst wirklich Schach spielen.«
»Willst du immer noch wetten? Es ging doch um Aktfotos von Französinnnen, oder?« Er lächelte, rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Eigentlich sollte ich sie dir einfach schenken. Dir zeigen, wo sich die relevanten Körperteile befinden. Los jetzt, zieh deine Stiefel an.«
»Wo gehen wir hin?«
»Nach Mga.«
Kolja mochte ein Deserteur sein, doch seine Stimme besaß so viel natürliche Autorität, dass meine Stiefel schon fast zugeschnürt waren, bevor mir in den Sinn kam, seine Anweisung zu hinterfragen. Er hatte bereits den Mantel und die Lederhandschuhe angezogen; er schlang sich den Schal zwei Mal um den Hals und kontrollierte seine Zähne in einem kleinen Spiegel, der über dem Samowar hing.
»Das ist fünfzig Kilometer weit weg.«
»Ein guter Tagesmarsch. Wir haben gestern Abend ordentlich gegessen, wir können es schaffen.«
Allmählich ging mir der ganze Irrsinn dieses Vorhabens auf.
»Mga liegt hinter den deutschen Linien. Warum müssen wir dahin?«
»Heute ist Montag, Lew. Bis Donnerstag brauchen wir die Eier, und in Piter werden wir keine finden. Sonjas Onkel leitet doch diese Geflügelkolchose, richtig? Jede Wette, dass die Deutschen den Betrieb weiterlaufen lassen. Die essen doch auch gern Eier.«
»Sieht so unser Plan aus? Wir marschieren fünfzig Kilometer, geradewegs an den Deutschen vorbei, zu einer Geflügelkolchose, die möglicherweise nicht niedergebrannt wurde, schnappen uns ein Dutzend Eier und spazieren wieder nach Hause?«
»Also wenn du es in dem Ton sagst, muss es ja verrückt klingen.«
»In dem Ton ... Ich stelle dir eine Frage! Sieht so unser Plan aus? Sonja war noch nie dort! Wie sollen wir diese Kolchose denn finden?«
»Sie ist in Mga! Es kann doch nicht so schwer sein, in Mga eine Kolchose zu finden!« »Ich weiß ja nicht mal, wie man das Scheißkaff findet!«
»Ach«, sagte Kolja grinsend, während er seine Astrachanmütze aufsetzte. »Das ist kein Problem. Es liegt an der Bahnlinie nach
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