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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vom Fußboden, zog ihn an und folgte Kolja zur Wohnungstür, die er mir feierlich und höflich aufhielt.
    »Warte«, sagte er, bevor ich über die Schwelle treten konnte. »Wir machen eine Reise. Wir sollten uns hinsetzen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist.«
    »Ich mag nun mal die alten Bräuche.«
    Da keine Stühle da waren, setzten wir uns neben der offenen Tür auf den Boden. In der Wohnung war es still. Timofei schnarchte auf seinem Plätzchen neben dem Ofen; die Fensterscheiben zitterten in ihren Rahmen; das Radio übertrug das unaufhörliche Ticken des Metronoms, das anzeigte, dass Leningrad noch nicht erobert war. Draußen nagelte jemand mit schnellen, geschickten Hammerschlägen etwas an. Aber statt mir einen Mann vorzustellen, der Plakate anschlug, sah ich einen Sargtischler bei der Arbeit vor mir, der aus Fichtenholzbrettern eine Totenlade anfertigt. Dieses Bild war so klar und detailliert, dass ich die Schwielen an den Handflächen des Sargtischlers sehen konnte, die schwarzen Haare, die zwischen seinen buschigen Augenbrauen wuchsen, das Sägemehl auf seinen verschwitzten Unterarmen.
    Ich holte tief Luft und sah Kolja an. Er blickte unverwandt zu mir her.
    »Mach dir keine Sorgen, mein Freund. Ich lass dich nicht sterben.«
    Ich war siebzehn und dumm und glaubte ihm.
    11
    Die Eisenbahnlinie nach Moskau war erst seit vier Monaten abgeschnitten, doch die Schienen begannen bereits zu rosten. Die meisten Schwellen hatte man aus dem Gleisbett gestemmt und zu Brennholz zerhackt, obwohl sie mit Kreosot imprägniert waren und sie zu verfeuern eine Gefahr darstellte. Kolja ging auf einer der Schienen entlang, ein Turner auf dem Schwebebalken, die Hände seitlich ausgestreckt. Ich trottete hinter ihm her, in der Mitte des Gleises, hatte keine Lust, das Spielchen mitzumachen, teils weil ich wütend auf ihn war, teils weil ich wusste, dass ich doch verlieren würde.
    Die Schienen führten in östlicher Richtung vorbei an neueren Wohnblocks und dreistöckigen Kaufhäusern, vorbei am Straßenbahndepot Kotljarow, vorbei an stillgelegten Fabriken, die Dinge hergestellt hatten, die im Krieg keiner brauchen oder sich leisten konnte. Ein Trupp junger Frauen, die Overalls unter ihren Wintermänteln trugen und von einem Pionier der Armee beaufsichtigt wurden, war damit beschäftigt, ein Postamt in eine Verteidigungsstellung zu verwandeln. Aus einer Ecke des massiven alten Gebäudes war ein Stück herausgebrochen worden, um Platz für ein Maschinengewehrnest zu schaffen.
    »Tolle Figur, die da«, sagte Kolja und deutete auf eine Frau, die ein blaues Kopftuch trug und Sandsäcke von einem leerlaufenden Lastwagen zerrte.
    »Woher willst du das wissen?«
    Die Behauptung war einfach lächerlich. Die Frau war mindestens fünfzig Meter weit weg; ihre Jacke war dick wattiert, und darunter hatte sie mehrere Schichten übereinander an.
    »So was sehe ich. Sie hat die Haltung einer Tänzerin.«
    »Aha.«
    »Komm mir nicht mit deinem Aha ! Ich kenne Ballerinen. Verlass dich drauf. Ich nehme dich mal mit ins Mariinski-Theater und gehe mit dir hinter die Bühne. Ich sage nur, ich habe einen gewissen Ruf.«
    »Ständig quasselst du von deinem Ruf.«
    »Es gibt kaum etwas auf der Welt, was mich glücklicher macht als die Schenkel einer Ballerina. Galina Ulanowa ...«
    »Jetzt hör aber auf!«
    »Wieso? Sie ist ein nationales Heiligtum. Ihre Beine sollten in Bronze gegossen werden.« »Du hast nie und nimmer mit Galina Ulanowa geschlafen.«
    Er bedachte mich mit einem leisen, geheimnisvollen Lächeln, einem Lächeln, das besagte, dass er so manches wusste, aber nicht alles auf einmal verraten wollte.
    »Ich habe nie behauptet, dass ich mit ihr geschlafen habe.«
    »Aber angedeutet.«
    »Ich bin gemein«, gab er zu. »Mit dir über derartige Dinge zu reden ... das ist sadistisch. Als würde man mit einem Blinden über Velá zquez reden. Wechseln wir das Thema.«
    »Heißt das, dass du die nächsten neununddreißig Kilometer lang nicht über Ballerinen reden willst, mit denen du nicht geschlafen hast?«
    »Drei Buben kommen auf einen Bauernhof, um Hühner zu stehlen«, begann er mit seiner für Witze reservierten Stimme. Wenn er Witze erzählte, benutzte er einen anderen Akzent, obwohl mir nicht klar war, was für ein Akzent das sein sollte oder warum er glaubte, das Ganze würde dadurch lustiger.
    »Der Bauer hört sie und läuft hin. Also springen die Buben in drei Kartoffelsäcke und verstecken sich.«
    »Wird das ein

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