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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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warm und trocken. Im Austausch gegen Neuigkeiten gaben uns die Mädchen mehrere Tassen kochend heißen Tee, einige Scheiben Schwarzbrot und zwei gebackene Kartoffeln. Die Kartoffeln waren für uns schon der Länge nach aufgerissen worden. Kolja biss hinein und sah mich an. Ich biss hinein und sah Galina an, die mit dem süßen Gesicht und den drallen Armen. Sie saß mit dem Rücken an die steinerne Kamineinfassung gelehnt, die Hände unter die nackten Beine geschoben.
    »Ist das Butter?«, fragte ich sie.
    Sie nickte. Die Kartoffeln schmeckten wie richtige Kartoffeln, nicht wie die Schösslinge treibenden, schrumpeligen bitteren Dinger, die wir in Piter aßen. Für eine gute Kartoffel mit Butter und Salz bekamst du auf dem Heumarkt drei Handgranaten oder ein Paar Stiefel aus Leder und Filz.
    »Bringen sie euch auch Eier?«, fragte Kolja.
    »Erst ein Mal«, sagte Galina. »Wir haben ein Omelett gemacht.«
    Kolja versuchte Blickkontakt mit mir aufzunehmen, aber ich interessierte mich nur für meine gebutterte Kartoffel.
    »Haben sie hier in der Nähe eine Basis?«
    »Die Offiziere wohnen in einem Haus nicht weit vom See«, sagte Lara, das Mädchen, das tschetschenisch aussah, tatsächlich aber zur Hälfte spanisch war. »In Nowoje Koschkino.«
    »Ist das eine Stadt?«
    »Ja. Meine Heimatstadt.«
    »Und die Offiziere haben definitiv Eier?«
    Nun blickte ich doch zu ihm auf. Ich hatte beschlossen, die Kartoffel ganz langsam zu essen, um möglichst lange etwas davon zu haben. Wir hatten zwei Abende hintereinander Glück mit dem Essen gehabt, erst Goldstück-Suppe und nun Kartoffeln. Ich rechnete nicht damit, dass unser Glück drei Abende anhielt. Ich kaute bedächtig und beobachtete dabei Koljas Gesicht, suchte nach ersten Anzeichen für irgendwelche hirnrissigen Ideen.
    »Ich weiß nicht, ob sie derzeit Eier haben«, sagte Lara mit einem kleinen Lachen. »Bist du wirklich hungrig nach Eiern?«
    »Ja«, sagte er und lächelte sie so an, dass Grübchen auf seinen Wangen erschienen. Kolja wusste, welches Lächeln seine Grübchen am besten zur Geltung brachte. »Seit Juni sehne ich mich nach Eiern. Was glaubt ihr wohl, weshalb wir hier sind? Wir sind auf der Suche nach Eiern!«
    Die Mädchen lachten über diesen merkwürdigen Witz. »Sollt ihr die Partisanen organisieren?«, fragte Lara.
    »Über unsere Befehle können wir nicht reden«, sagte Kolja. »Ich sage nur, das wird ein verdammt langer Winter für den Fritz.«
    Die Mädchen sahen sich kurz an, von dem großspurigen Gerede unbeeindruckt. Sie hatten die Wehrmacht unmittelbarer erlebt als Kolja; sie hatten sich ihre eigene Meinung darüber gebildet, wer den Krieg gewinnen würde.
    »Wie weit ist es nach Nowoje Koschkino?«, fragte er.
    Lara zuckte die Schultern. »Nicht weit. Sechs bis sieben Kilometer.«
    »Könnte ein lohnendes Ziel sein«, sagte er bewusst nonchalant zu mir und biss in eine Scheibe Schwarzbrot. »Wir knallen eine Ladung Wehrmachtsoffiziere ab, schon haben sie eine führerlose Brigade.«
    »Die sind nicht von der Wehrmacht«, sagte Nina. Etwas in der Art, wie sie das sagte, veranlasste mich, sie anzuschauen. Sie war kein furchtsames Mädchen, aber was sie da sagte, machte ihr Angst. Ihre Schwester Galina blickte unverwandt ins Feuer und kaute auf der Unterlippe herum. »Die sind bei den Einsatzgruppen.«
    Seit Juni hatten die Russen einen Schnellkurs in Deutsch absolviert. Dutzende von deutschen Wörtern hatten quasi über Nacht Eingang in unser Alltagsvokabular gefunden: Panzer und Junkers, Wehrmacht und Luftwaffe, Blitzkrieg und Gestapo und all die anderen Hauptwörter mit den großen Anfangsbuchstaben. Als ich zum ersten Mal Einsatzgruppen hörte, hatte das Wort nicht den gleichen bedrohlichen Beigeschmack wie die anderen. Für mich hörte es sich eher an wie der Name eines pedantischen Buchhalters in einer schlechten Komödie aus dem 19. Jahrhundert. Inzwischen wirkte dieser Name aber nicht mehr komisch, nicht nach all den Zeitungsartikeln, die ich gelesen, den Berichten im Radio und den Gesprächen, die ich mitangehört hatte. Die Einsatzgruppen waren die Todesschwadronen der Nazis, handverlesene Mörder aus den Reihen der regulären Armee, der Waffen-SS und der Gestapo, ausgewählt wegen ihrer brutalen Effizienz und ihrer reinen arischen Abstammung. Wenn die Deutschen ein Land überfielen, folgten die Einsatzgruppen hinter der vorrückenden Front, warteten, bis das Gebiet gesichert war, um dann ihre ausgesuchten Ziele zu liquidieren:

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