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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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zulegen.
    »Spiel das noch mal«, sagte die Blonde. Ihre Stimme war durch die Scheibe gedämpft, aber dennoch gut zu hören.
    »Nicht schon wieder!«, sagte ihre Partnerin. »Leg was auf, was ich kenne. Am liebsten Eddie Rosner.«
    Ich sah Kolja an. Ich dachte, er würde grinsen, hingerissen von dieser surrealen Szene, über die wir da mitten in der verschneiten Wildnis gestolpert waren. Aber er blickte grimmig drein, hatte die Lippen zusammengepresst, etwas Zorniges in den Augen.
    »Komm mit«, sagte er, richtete sich auf und führte mich um das Haus herum zurück zum Eingang. Eine neue Schallplatte war aufgelegt worden, wieder Jazz, diesmal ein Trompeter, der von einer munteren Band begleitet wurde.
    »Gehen wir rein? Ich glaube, die hatten da was zu essen. Ich meine, die haben sicher ...«
    »Die haben ganz bestimmt jede Menge zu essen.«
    Er klopfte an der Haustür. Die Musik brach ab. Kurz darauf erschien das blonde Mädchen hinter dem Sprossenfenster neben dem Eingang. Sie starrte uns lange an, ohne etwas zu sagen oder sich in Richtung Tür zu bewegen.
    »Wir sind Russen«, sagte Kolja. »Mach die Tür auf.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ihr solltet nicht hier sein.«
    »Ich weiß«, sagte Kolja und hielt die Pistole so, dass das Mädchen sie sehen konnte. »Aber wir sind nun mal da, also mach verdammt noch mal die Tür auf.«
    Die Blonde drehte den Kopf in Richtung des großen Zimmers. Sie flüsterte jemandem etwas zu, der außer Sichtweite war, und hörte sich die Antwort an. Sie nickte, drehte sich wieder zu uns um, holte tief Luft und öffnete die Tür.
    In das Bauernhaus hineinzugehen war, als betrete man den Bauch eines Wals, der wärmste Ort, an dem ich seit Monaten gewesen war. Wir folgten der Blonden in das große Zimmer, wo ihre drei Freundinnen unsicher in einer Reihe standen, mit den Fingern am Saum ihrer Nachthemden herumnestelten. Die kleine Brünette mit den drallen Armen schien gleich weinen zu wollen; ihre Unterlippe zitterte, während sie auf Koljas Pistole starrte.
    »Ist sonst noch jemand da?«, fragte er.
    Die Blonde schüttelte den Kopf.
    »Wann kommen sie?«, fragte er.
    Die Mädchen wechselten Blicke.
    »Wer?«, fragte die, die tschetschenisch aussah.
    »Keine Fisimatenten, meine Damen. Ich bin Offizier der Roten Armee, ich bin in besonderem Auftrag unterwegs ...«
    »Ist der auch Offizier?«, fragte die Blonde und sah mich an. Sie lächelte nicht direkt, aber ich sah deutlich die Belustigung in ihren Augen.
    »Nein, das ist ein Rekrut...«
    »Ein Rekrut? Wirklich? Wie alt bist du denn. Süßer?«
    Daraufhin sahen mich alle Mädchen an. In der Wärme des Zimmers, unter dem Gewicht ihrer Blicke, spürte ich, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.
    »Neunzehn«, sagte ich und stellte mich sehr gerade hin. »Zwanzig im April.« »Na, für neunzehn bist du ziemlich klein«, sagte die Tschetschenin. »Höchstens fünfzehn«, sagte die Blonde.
    Kolja zog das Verschlussstück der Pistole zurück, sodass eine Patrone in den Lauf glitt - ein sehr dramatisches Geräusch in dem stillen Zimmer. Die Geste kam mir übertrieben theatralisch vor, aber Kolja verstand sich nun mal auf theatralische Gesten. Er hielt die Pistole weiter auf den Boden gerichtet und sah jedem Mädchen ins Gesicht, ließ sich bei jeder Zeit.
    »Wir haben einen langen Marsch hinter uns«, sagte er. »Mein Freund hier ist müde. Ich bin müde. Ich frage euch also noch einmal, zum letzten Mal, wann kommen sie?«
    »Gewöhnlich gegen Mitternacht«, sagte die pummelige Brünette. Die anderen Mädchen beobachteten sie scharf, sagten aber nichts. »Wenn sie mit dem Beschuss fertig sind.«
    »Tatsächlich? Das heißt, wenn es den Deutschen zu langweilig wird, ihre Artillerie auf uns in Piter abzufeuern, dann kommen sie über Nacht hierher, und ihr besorgt es ihnen?«
    In mancher Hinsicht bin ich schwer von Begriff. Ich sage das nicht aus Bescheidenheit. Ich glaube, dass ich intelligenter bin als der Durchschnittsmensch, obwohl man Intelligenz vielleicht nicht als einen einzelnen Anzeiger betrachten sollte, ähnlich einem Geschwindigkeitsmesser, sondern als eine ganze Ansammlung von Tachometern, Kilometerzählern, Höhenmessern und so weiter. Mein Vater brachte mir Lesen bei, als ich vier war, womit er sich bei seinen Freunden immer brüstete, aber meine Unfähigkeit, Französisch zu lernen oder mir die Jahreszahlen von Suworows Siegen zu merken, muss ihm Sorgen bereitet haben. Er war ein echter Universalgelehrter, konnte auf Kommando

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