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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Möglichkeit einer heillosen Blamage erwog en hatte, ging ich zum Rosshaar sofa und setzte mich direkt neben Vikas Füße in den grauen Wollsocken. Über meinem Kopf baumelte der Kinnbart des Steinbocks. Ich blickte kurz zu ihm hoch und dann hinüber zu Vika. Sie sah mich unverwandt an, wartete darauf, zu hören, was für Albernheiten ich zu sagen beabsichtigte.
    »War dein Vater Jäger?«, fragte ich. Das war die Frage, die ich mir zurechtgelegt hatte, während ich drüben am anderen Ende des Zimmers stand. Kaum hatte ich sie ausgesprochen, da fragte ich mich schon, warum ich das für eine gute Einleitung gehalten hatte, um ein Gespräch zu beginnen. Irgendein Artikel, den ich über Scharfschützen gelesen hatte, irgend etwas über Sidorenko, der Eichhörnchen geschossen hatte, als er ein Junge war.
    »Was?«
    »Ob dein Vater ... Ich dachte, vielleicht hast du auf diese Art schießen gelernt.«
    Ich konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob Langeweile oder Verachtung in ihren blauen Augen lag. Aus der Nähe, im Licht der Öllampen und des Kaminfeuers, konnte ich eine kleine Ansammlung roter Pickel auf ihrer Stirn erkennen.
    »Nein. War er nicht.«
    »Ich nehme an, dass viele Scharfschützen als Jäger angefangen haben ... jedenfalls habe ich so etwas gelesen.«
    Sie sah mich inzwischen nicht mehr an, sondern studierte wieder den Steinbock. Ich war uninteressanter als ein aus gestopftes Tier. Die anderen Partisanen beobachteten mich, stießen sich mit dem Ellbogen an und grinsten, beugten sich dicht zueinander, um zu flüstern und leise zu lachen.
    »Woher hast du das deutsche Gewehr?«, fragte ich sie, schon leicht verzweifelt, ein Spieler, der seinen Wetteinsatz erhöht, obwohl er immer schlechtere Karten hat.
    »Von einem Deutschen.«
    »Ich habe ein deutsches Messer.« Ich zog mein Hosenbein hoch, holte das Messer aus der Scheide und drehte es in der Hand hin und her, ließ den geschliffenen Stahl im Licht aufblitzen. Das Messer erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie streckte die Hand aus, und ich gab es ihr. Sie prüfte die Schneide der Klinge an ihrem Unterarm.
    »Scharf genug, um sich damit zu rasieren«, sagte ich. »Nicht, dass du das nötig hast ... Ich meine nur ...«
    »Wo hast du das gefunden?«
    »An einem Deutschen.«
    Sie lächelte, und ich war sehr stolz auf diesen Satz, als hätte ich etwas umwerfend Kluges gesagt, indem ich auf ihre Wortkargheit nun meinerseits knapp reagierte.
    »Und wo hast du den Deutschen gefunden?«
    »In Leningrad, toter Fallschirmjäger.« Ich hoffte, dass das vage genug war, um die Möglichkeit offenzulassen, dass ich den Mann getötet hatte.
    »Die springen über Leningrad ab? Hat es angefangen?«
    »Vermutlich bloß ein Kommandounternehmen. Sind nur wenige durchgekommen. Lief nicht so besonders für den Fritz.« Ich fand, dass das genau richtig klang, lässig, als wäre ich ein kaltblütiger Killer, der beiläufig von den Leuten spricht, die er abgemurkst hat.
    »Hast du ihn selbst getötet?«
    Ich machte den Mund auf, automatisch bereit zu lügen, aber wie sie mich ansah, die Lippen wieder zu diesem leicht verächtlichen Grinsen verzogen, dessen Herablassung mich ärgerte und gleichzeitig bewirkte, dass ich sie küssen wollte ...
    »Die Kälte hat ihn umgebracht. Ich hab ihn nur fallen sehen.«
    Sie nickte und gab mir das Messer zurück, streckte die Arme hinter dem Kopf aus und gähnte ausgiebig, ohne sich auch nur die Hand vor den Mund zu halten. Ihre Zähne waren wie Kinderzähne, sehr klein und nicht ganz ebenmäßig. Sie sah so zufrieden aus, als hätte sie gerade ein neungängiges Menü verzehrt, zu dem die besten Weine serviert wurden, dabei hatte ich sie nur an einem schwarzen Rettich herumknabbern sehen.
    »Die Kälte ist Mütterchen Russlands älteste Waffe«, fügte ich hinzu, ein Satz, den ich einen General im Radio hatte verkünden hören. Im nächsten Moment hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen. Vielleicht war der Spruch ja nicht ganz falsch, aber er war seit Monaten ein propagandistisches Klischee. Wenn ich das Wort Mütterchen Russland nur in den Mund nahm, kam ich mir schon vor wie einer dieser blöde feixenden Jungen Pioniere, die in ihren weißen Hemden und roten Halstüchern singend durch die Parks marschieren.
    »Ich habe auch ein Messer«, sagte sie, zog einen Dolch mit Birkenholzgriff aus einer Scheide, die in ihrem Gürtel steckte, und hielt ihn mir mit dem Heft voraus hin.
    Ich drehte die schmale Klinge in der Hand hin und her. Auf dem Stahl

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