Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
befanden sich feine Linien, ähnlich kleinen Wellen in einem unruhigen Gewässer.
    »Sieht ziemlich zerbrechlich aus.«
    »Ist er aber nicht.« Sie beugte sich vor und strich mit der Fingerspitze über die verzierte Klinge. »Das ist Damaszener Stahl.«
    Sie war jetzt so nahe, dass ich die Windungen ihres Ohrs und die Furchen sehen konnte, die sich auf der glatten Fläche ihrer Stirn bildeten, wenn sie die Augenbrauen hochzog. In ihrem verfilzten Haar hatten sich ein paar Kiefernnadeln verfangen, und ich widerstand dem plötzlichen Drang, sie herauszuziehen.
    »Das ist ein Puukko«, erklärte sie mir. »Den bekommen alle finnischen Jungen, wenn sie volljährig werden.«
    Sie nahm mir den Dolch wieder ab und hielt ihn so, dass ich das Spiel von Licht auf Metall bewundern konnte.
    »Der beste Scharfschütze der Welt ist ein Finne. Simo Häyhä. Der Weiße Tod. Fünfhundertundfünf bestätigte Abschüsse im Winterkrieg.«
    »Dann hast du ihn wohl einem Finnen abgenommen, den du erschossen hast?«
    »In Terijoki für achtzig Rubel gekauft.« Sie steckte den Dolch wieder in die Scheide an ihrem Gürtel und blickte sich suchend im Zimmer nach etwas Interessanterem um, dem sie ihre Aufmerksamkeit zuwenden konnte.
    »Vielleicht wirst du mal der Rote Tod«, sagte ich, nur um weiterzureden, denn ich wusste, wenn ich jetzt aufhörte, würde ich nie mehr den Mut aufbringen, wieder anzufangen. »Das waren prima Schüsse da draußen. Ich nehme an, die Einsatzkommandos sind es nicht gewohnt, dass jemand zurückschießt.«
    Vika betrachtete mich mit ihren kalten blauen Augen. In ihrem Blick lag etwas nicht ganz Menschliches, etwas Raubtierhaftes, Wölfisches. Sie spitzte die Lippen und schüttelte dann den Kopf.
    »Wieso glaubst du, dass das Leute von einem Einsatzkommando waren?« »Weil die Mädchen uns gesagt haben, wer herkommt.« »Wie alt bist du, fünfzehn? Du bist kein Soldat...« »Siebzehn.«
    »... aber du bist mit einem Soldaten unterwegs, der nicht bei seiner Einheit ist.«
    »Er hat doch gesagt, dass wir einen Sonderauftrag von Oberst Gretschko haben.«
    »Einen Sonderauftrag für was? Um die Partisanen zu organisieren? Hältst du mich für so dämlich?«
    »Nein.«
    »Ihr wolltet die Mädchen hier besuchen, stimmt's? Ist eine von denen deine Freundin?«
    Ich war eigentümlich stolz, dass sie glaubte, eines der reizenden Mädchen im Haus könnte meine Freundin sein, auch wenn ich den beleidigenden Ton der Formulierung »eine von denen« sehr wohl hörte. Ich hatte sie neugierig gemacht, was immerhin ein Anfang war. Und sie war mit Recht neugierig. Was hatte ein Junge aus Piter hier draußen, zwanzig Kilometer hinter den feindlichen Linien, in einem Freudenhaus zu suchen, das für Offiziere der Besatzungsmacht unterhalten wurde?
    Mir fiel wieder ein, was Kolja gesagt hatte, dass man eine Frau mit Undurchschaubarkeit bezirzen muss.
    »Wir haben unsere Befehle, und ihr habt bestimmt eure, also belassen wir es dabei.«
    Vika starrte mich schweigend einige Sekunden an. Sie könnte bezirzt gewesen sein, aber es war schwer zu sagen.
    »Die Deutschen, die wir da draußen im Schnee abgeknallt haben, die sind von der regulären Truppe. Man sollte meinen, dass ein Mann - Verzeihung, ein Junge -, der für den NKWD arbeitet, den Unterschied kennt.«
    »Ich hatte keine Gelegenheit, mir ihre Rangabzeichen anzuschauen, weil ihr eure Gewehre auf uns gerichtet hattet.«
    »Wir suchen nach Einsatzgruppen. Das ist Großwild. Wir sind jetzt seit sechs Wochen hinter diesem Leichenficker Abendroth her. Wir dachten, er wäre heute Abend hier.«
    Den Ausdruck »Leichenficker« hatte ich noch nie gehört. Das Schimpfwort klang furchtbar vulgär aus ihrem Mund. Ich lächelte unwillkürlich, was bestimmt sonderbar und unangebracht wirkte. Im Geiste stellte ich sie mir ohne Hosen vor; das Bild war scharf und detailliert, bei Weitem überzeugender, als die nackten Frauen in meiner Fantasie es sonst waren. Vielleicht hatten Koljas pornografische Spielkarten tatsächlich geholfen.
    »Abendroth ist in Nowoje Koschkino«, erklärte ich ihr. »In einem Haus am See.«
    Diese Information schien sie mehr zu bezirzen als alles, was ich bisher gesagt hatte. Mein unpassendes Lächeln, gepaart mit meinem Wissen über den Aufenthaltsort dieses Nazis, machte mich augenblicklich interessant.
    »Wer hat dir das gesagt?«
    Ein undurchschaubarerer Mann hätte diese Frage zu umgehen gewusst, wäre ihr ausgewichen wie ein Boxer, weggetänzelt und aus dem Weg gegangen,

Weitere Kostenlose Bücher