DavBen-StaderDie
zu schnell klein beigeben und vor seinen Männern das Gesicht verlieren. Folglich stierten sich die beiden noch weitere zehn Sekunden finster an, während ich mir auf die Unterlippe biss, um nicht mit den Zähnen zu klappern.
Vika brach das Patt. »Die beiden scheinen sich ineinander zu verlieben«, sagte sie. »Schaut sie euch an! Sie wissen bloß noch nicht, sollen sie miteinander kämpfen oder sich nackt im Schnee wälzen.«
Die anderen Partisanen lachten, und Vika ging auf das Bauernhaus zu, ohne Korsakows finsteren Blick zu beachten.
»Ich hab Hunger«, sagte sie. »Die Mädchen da drin sehen aus, als hätten sie den ganzen Winter über Schweinekoteletts gegessen.«
Die Männer folgten ihr, beladen mit ihrer Beute, begierig darauf, aus der Kälte und ins Haus zu kommen. Ich verfolgte, wie Vika sich vor der Haustür den Schnee von den Stiefeln abtrat, und fragte mich, wie ihr Körper unter dem Tarnanzug aussah, unter all den Woll- und Filzschichten.
»Gehört sie dir?«, erkundigte sich Kolja bei Korsakow, nachdem Vika das Bauernhaus betreten hatte.
»Machst du Witze? Die ist eher Männlein als Weiblein.«
»Gut«, sagte Kolja und boxte mich in den Arm. »Ich glaube nämlich, mein Freund hier hat sich verknallt.«
Korsakow sah mich kurz an und begann zu lachen. Ich habe es immer gehasst, wenn Leute über mich lachen, doch in diesem Fall war ich froh darüber. Weil ich wusste, dass er uns nicht töten würde.
»Na, dann viel Glück, Bürschchen. Aber denk dran, die schießt dir aus einem halben Kilometer Entfernung die Augen aus.«
16
Korsakow hatte seinen Leuten eine Stunde Zeit gegeben, um sich aufzuwärmen und zu essen, und nun hatten sie sich in dem großen Zimmer ausgestreckt, ihre Socken am Kaminschirm aufgehängt, ihre Mäntel auf dem Boden ausgebreitet. Vika lag auf dem Rücken auf einem Rosshaarsofa unter dem ausgestopften Steinbockkopf, die Füße verschränkt, und spielte mit den Fingern an der Kaninchenfellmütze herum, die auf ihrer Brust lag. Ihr dunkelrotes Haar war so kurz geschnitten wie das eines Jungen und so schmutzig, dass es in Strähnen und Spiralen zusammenklebte. Sie blickte unverwandt in die Glasaugen des Steinbocks, fasziniert von dem ermordeten Tier - sann über die Jagd nach, jedenfalls stellte ich mir das vor, über den Schuss des Jägers, ob er gut gezielt hatte oder ob das verwundete Tier noch meilenweit lief, ohne zu begreifen, dass sich der Tod bereits in seinen Muskeln und Knochen eingenistet hatte, eine herabstürzende Kugel, vor der es kein Entrinnen gab.
Ich saß derweil auf einem Fenstersims und beobachtete sie, darauf bedacht, sie nicht merken zu lassen, dass ich sie beobachtete. Sie hatte ihren Tarnanzug ausgezogen, damit er trocknen konnte. Sie trug ein dickes wollenes Holzfällerhemd, das früher einem Mann gehört hatte, der doppelt so groß war wie sie, und zwei Paar lange Unterhosen. Anders als die meisten Rothaarigen hatte sie keine einzige Sommersprosse. Sie kaute mit ihren schiefen kleinen Zähnen an ihrer Oberlippe herum. Ich musste sie unentwegt anschauen. Sie erfüllte keines Mannes Vorstellung von einem Pin-up-Girl - unterernährt, wie sie war, und den Eindruck machend, als hätte sie die ganze letzte Woche im Wald geschlafen -, aber ich wollte sie nackt sehen. Ich wollte das Holzfällerhemd aufknöpfen, zu Boden werfen und ihren blassen Bauch lecken, die langen Unterhosen ausziehen und ihre dünnen Schenkel küssen.
Dieser plastische Tagtraum war etwas absolut Neues für mich. Hatten Koljas pornografische Spielkarten meine Einbildungskraft angestachelt? Gewöhnlich waren meine Fantasien keusch, anachronistisch - so stellte ich mir etwa vor, wie Vera Ossipowna, komplett bekleidet, in der Abgeschiedenheit ihres Schlafzimmers für mich Cello spielt und wie ich anschließend ihren Vortrag lobe, sie mit meiner Eloquenz und Beherrschung des musikalischen Vokabulars beeindrucke. Die Fantasievorstellung endete meist damit, dass wir uns heftig küssen, Veras ausgestrecktes Bein den Notenständer umwirft, ihr Gesicht heiß und gerötet ist, während ich ihr ein geheimnisvolles Lächeln schenke und sie mit verrutschtem Kragen, den obersten Knopf ihres Hemdes geöffnet, stehen lasse.
Meine Fantasien endeten im Allgemeinen, bevor es zum Sex kam, da ich Angst vor dem Sex hatte. Ich wusste nicht, was man da macht. Ich wusste ja nicht einmal genug, um so zu tun, als wüsste ich, was man da macht. Ich kannte zwar die grundlegenden anatomischen Fakten, aber der
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