Dave Duncan
starrte einen Augenblick ins Feuer. »Hat mir einmal einen Sohn geschenkt. Hätte so ausgesehen wie ich, als… Er starb. Wir haben hier natürlich auch Diebe. Ehrlichkeit ist aus irgendeinem Grund einfacher, wenn man nicht hungrig ist. Witwen. Unerwünschte Konkubinen und peinliche Bastarde. Meuterer? Wir haben einige Meuterer. Ein boshafter Zenturio ist schlimmer als ein schlechter Sklavenbesitzer, Bursche, weil er sich keine Gedanken darüber zu machen braucht, was Ihr Euren Meister kostet.«
Rap wischte sich über die Stirn und wünschte, er könnte sich ein wenig vor dem Feuer zurückziehen, aber das hätte so ausgesehen, als rücke er von dem stark riechenden alten Mann ab. »Ihr habt hier auch eine Frau vom Merfolk?«
»Das Böse soll mich holen! Woher wißt Ihr das? Habt Ihr vor zu bleiben?«
»Nein.«
Shyo sah ihn finster an. »Nur dann könnt Ihr Euren Teil bekommen.« »Das habe ich nicht gemeint!« rief Rap lauter als beabsichtigt. »Sicher nicht?« Der alte Mann sah ihn wütend und argwöhnisch an. »Ich meinte nur, warum sollte eine Frau vom Merfolk hier sein?«
»Aus denselben Gründen wie wir alle natürlich! Sie bleibt hier, weil es draußen noch schlimmer ist. Sie kam zufällig hierher, aber sie bleibt, weil es besser ist.«
»Was für ein Zufall?« Raps Mund stellte die Frage, bevor Rap sie unterbinden konnte. Das ging ihn nichts an. Er hatte nie zuvor eine Frau der Merfolk gesehen und war natürlich neugierig. Diese war nicht jung, aber die Art, wie sie mit ihren Wachen in der entlegensten Hütte herumtanzte bewies, daß an den alten Geschichten viel Wahres dran war.
»Sie ist gestrandet. Sie und ihr Mann.«
»Auch aus dem Merfolk?«
»‘türlich.«.
»Und was…«
»Einige verheiratete Männer haben ihn in der ersten Nacht erstochen.« »Es ist also wahr?«
»‘türlich.« Plötzlich lachte Shyo keckernd. »Habt Ihr nie von dem letzten Versuch der Legionen gehört, die Kerith-Inseln einzunehmen, damals, als Emthar noch regierte? Natürlich nicht zum ersten Mal, aber irgendein intelligenter Tribun kam auf die Idee, sie könnten dafür sorgen, daß es funktionierte, wenn sie nur genügend Huren für die Soldaten mitnehmen würden, aber natürlich kam alles ganz anders und…«
Rap hatte in Durthing schon einige Versionen der Geschichte gehört, eine weitere interessierte ihn nicht sonderlich. Sobald das Gespräch auf die unwiderstehliche Anziehungskraft der Merfolk kam, wurde diese Geschichte erzählt.
Da bemerkte er, daß Gathmor wieder die alte Nagg befragte und ihre Antworten mit ihr diskutierte. Rap wurde immer schläfriger und konnte dem Gespräch kaum noch folgen. Die Gestrandeten könnten leicht nach Puldarn laufen, sagte sie. Vielleicht drei Tage; weit genug, um hungrig zu werden, nicht weit genug, um zu verhungern. Gathmor erkundigte sich vorsichtig nach der Route über das Meer. Sehr gefährlich, versicherte Nagg ihm. Die Gezeiten des Drachenmeeres waren berüchtigt. Sehr felsige Küste. Nein, er und seine Freunde sollten laufen.
Natürlich würden sie laufen, dachte Rap verschlafen. Das Fenster hatte es so gewollt.
Gathmor beharrte, nicht auf nackten Füßen laufen zu können. Drei Tage in der Sonne ohne Essen und ein wenig Wasser… und schließlich versprach Nagg, ihnen Kleidung zu besorgen.
Kleider, dachte Rap gähnend. Schwarz, grün und braun.
Es würden einfache Sachen sein, sagte Nagg, nur ein paar Kleider aus dem rauhen Stoff, den die Frauen herstellten, aber sie hielten die Sonne ab, den Wind und die Dornen.
Rap fragte sich, ob die Kleider, wenn sie sie bekamen, Jalons Erinnerungen an das magische Fenster zurückbringen würden – Jalons Erinnerungen an Sagorns Erinnerungen. Er wünschte, Gathmor würde ein wenig dankbarer klingen. Dieses arme Volk von Fischern hatte keine Veranlassung, den Fremden mehr als ein Lächeln zu schenken. Die Jotnar bedeuteten ihnen nur wenig, denn sie hatten außer ihrem Leben nichts zu verlieren, und Rap war sich nicht sicher, daß er sich besonders an sein Leben klammern würde, wenn er es hier verbringen müßte. Gähn! Seine Gedanken wanderten zu der Frau des Merfolk und ihren zwei glücklichen Wachen. Immer noch…! Er schalt sich selbst für sein Herumschnüffeln und zwang seine Aufmerksamkeit zurück zu den Verhandlungen.
Schließlich und endlich dankte Gathmor Nagg feierlich für die angebotenen Schuhe und Kleider, und er versprach, daß er und seine Gefährten beim ersten Tageslicht losziehen würden, um keine Minute der
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