Dave Duncan
riesige ausgedehnte Besitz des Herzogs war alt, luxuriös und machte sie wahnsinnig.
Das Wäldchen, in dem sie gerade einen besonders schlimmen Anfall von Langeweile durchmachte, lag übertrieben malerisch an einem See, der von Wasserlilien und anmutigen Schwänen überquoll, umrahmt von Skulpturen und kleinen Marmorpavillons. Jenseits des Sees lag ein Park, in dem Myriaden von Bediensteten die »Hinterlassenschaften« kleiner Hirsche aufsammelten und Buchsbaum in fantastische, lustige Formen schnitten. Für jemanden, der in seinem Leben genau sechs Bäume gesehen hatte, war Inos überraschend schnell der Bäume überdrüssig geworden – sie taten absolut gar nichts. Sie war von den grünen Hügeln beeindruckt, den Farmen und den Weinbergen, aber sie hatte alles nur aus der Ferne gesehen. Junge vornehme Damen wurden nicht ermutigt, sich auf Bauernhöfen herumzutreiben, und sie war schnell abgefangen worden, als sie einmal versucht hatte, dort die Gegend zu erkunden.
So verbrachte Inos ihre Vormittage jetzt mit Unterricht – Tanz, Redekunst und Lautenspiel. Nachmittags saß sie da und nähte und unterhielt sich mit Tante Kade und anderen älteren Damen. Abends gab es Tanz, oder man hörte Musik, und dann ging sie ins Bett. Das war alles. Einige Male war es ihr gestattet worden, mit einigen noblen Mädchen auszureiten, doch ihr Weg war auf einen Ascheweg im Park beschränkt gewesen, die Pferde waren uralte Klepper und ihre Reiterinnen genauso uninteressant – guterzogene Jungfrauen, deren Verstand bei der Geburt in ein Spitzentuch gewickelt und sicher versteckt worden war. Es war Inos gestattet, Bücher zu lesen, solange sie es nicht übertrieb. Sie durfte über die Terrasse wandern, solange sie nicht außer Tante Kades Sichtweite geriet oder mit fremden Männern sprach. Sie konnte bei der Handarbeit auch mit den Zähnen knirschen und sich überlegen, was wohl passieren würde, wenn sie sich eines Tages ihre Kleider vom Leib reißen und quer über den Tanzboden ein Rad schlagen würde.
Zwischen all dem Glanz und dem Reichtum hatte sie furchtbares Heimweh nach dem kahlen, schäbigen alten Krasnegar. Zwischen Adligen und Persönlichkeiten allerhöchster Herkunft sehnte sie sich nach der Gesellschaft ihres Vaters und nach Lin und Ido. Selbst der langweilige alte Rap würde ihr reichen.
Sie durfte nicht außer Tante Kades Sichtweite geraten, es sei denn einige andere alte… Damen… wurden für eine Weile zu ihrer Wärterin ernannt. Es war erniedrigend! Glaubten sie, sie sei irgendwie leichtsinnig? Daß man ihr nicht vertrauen könne? Natürlich vertraute man ihr, erklärte Tante Kade geduldig. Es war ihr Auftreten, das zählte. Durch Fenster klettern, Treppengeländer hinunterrutschen…
In würdevollem Schweigen tauchte ein junger Lakai auf und bot Tante Kade, die ablehnte, und dann Inos auf einem Tablett Bonbons an. »Danke, Urni.« Sie zeigte auf einen der leckeren kleinen Kuchen. »Den da! Hat Alopa ihn gebacken?«
Das Tablett schwankte gefährlich. Aus seinem hohen engen Kragen stieg es purpur auf bis zu seinem gepuderten Haar. »M–m–ma’am?«
»Ich dachte nur.« Inos warf ihm ein freundliches, aber triumphierendes Lächeln zu. »Ich dachte, es seien vielleicht ihre Backkünste gewesen, die Euch vor zwei Nächten in die kleine Speisekammer gelockt hätten.«
Urni ließ beinahe den Kuchen aus der Greifzange fallen. Das Tablett schwankte erneut in seiner anderen Hand, und er schluckte schwer. »Nein, Ma’am. Ich meine… nein, Ma’am.«
Sie lachte leise in sich hinein, sagte nichts weiter und ermöglichte ihm einen schnellen Rückzug. Wenn er nicht im Dienst war, war er ziemlich lustig, dann war er der junge Urni – so hatten die Zimmermädchen zumindest behauptet.
Als Inos gerade das erste Stückchen Kuchen in den Mund stecken wollte, seufzte Tante Kade tief auf. »Du solltest wirklich nicht so mit dem Dienstpersonal reden, Liebes.«
»Oh?« Inos legte ihre Gabel beiseite für den Fall, daß sie versucht sein könnte, damit zu werfen. »Es erregt dich, daß diese ganzen alten Weiber miterleben könnten, wie ich ihren vertrockneten Normen von großkotziger Hochnäsigkeit nicht gerecht werde? Du hättest es lieber, wenn ich mich wie eine Marmorstatue benehme? Was genau ist so falsch daran, einen Mann wie ein menschliches Wesen zu behandeln?«
Kade beendete ihre Reihe und drehte ihr Strickzeug um. »Nichts«, antwortete sie. »Behandele ihn in jeder Hinsicht wie einen Menschen.« »Ich glaube
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