Dave Duncan
nicht, daß ich diese Antwort verstehe.«
»Du hast ihn nicht wie einen Menschen behandelt. Du hast ihn wie einen Tanzbär behandelt.«
»Ich…« Inos verstummte mit offenem Mund.
»Sie können sich nicht wehren, mein Liebes. Sie zumindest würden sicherlich Marmorstatuen bevorzugen.« Kade hatte ihre Augen nicht von ihrem Strickzeug erhoben, doch jetzt fügte sie hinzu: »Und da kommt der Herzog.«
Inos sah auf. Herzog Angilki war in Begleitung auf der Terrasse erschienen. Das, so entschied Inos bitter, könnte sich möglicherweise als aufregend herausstellen. Sie hatte erwartet, daß ein Mann, der zwei Frauen unter die Erde gebracht hatte, ein Monster sein mußte, aber jetzt war sie sicher, daß beide an Langeweile gestorben waren. Angilki war der langweiligste Mann, den sie je kennengelernt hatte. Er war groß und wohlbeleibt, mit einem wabbeligen roten Gesicht und einer hängenden Unterlippe – er hatte das Gesicht eines zu groß geratenen, minderbemittelten Kindes. Er wurde in jeder Hinsicht von seiner furchteinflößenden Mutter, der Herzoginwitwe, dominiert, und sein einziges Interesse schien der Innenarchitektur zu gelten.
Er weitete Kinvale nach allen Seiten aus, aber die Architektur erschien wie zufällig. Weder der Vorgang des Bauens noch der Zweck der Gebäude waren von Belang. Es war der Stil, der zählte, und der Prozeß an sich. Also verbrachte der Herzog seine Tage mit Künstlern und Kunsthandwerkern bei glückseliger Betrachtung von Plänen, Zeichnungen und Musterbüchern. Sein künstlerischer Geschmack war tadellos, seine Ergebnisse beeindruckend. Kinvale war wunderschön. Doch wozu war es gut, wollte Inos von ihrer Tante wissen, als sie allein waren, wenn daraus nichts folgte?
Zumindest brauchte sie nicht mehr zu befürchten, daß Herzog Angilki sie dazu zwingen würde, ihn zu heiraten, damit er König von Krasnegar wurde. Krasnegar würde auf Angilki noch weniger Anziehungskraft ausüben als Kinvale auf Inos, und der Herzog selbst hatte kein sichtbares Interesse an Frauen. Wäre sie ein Ballen Chintz gewesen oder ein Tapetenmuster, dann hätte sie vielleicht seine Aufmerksamkeit erregt und ihm die Röte in die Wangen getrieben.
Ein konspiratives Kichern der Damen kündigte an, daß der Herzog und sein Freund über den Rasen zu ihnen herüberkamen… vermutlich, um seine Mutter zu fragen, ob er ein Bad nehmen darf, dachte Inos, aber ein schneller Blick in die Runde zeigte, daß die Herzoginwitwe nicht anwesend war. Und der Begleiter war ein Mann. Das war ungewöhnlich. Hausgäste kamen und gingen in Kinvale im Dutzend – Freunde und die entferntesten Verwandten – und beinahe alle waren weiblich.
Wo waren die Männer? Vermutlich waren einige irgendwo als Soldaten unterwegs, und andere waren vielleicht Soldaten gewesen und hatten sich von dieser Erfahrung nicht wieder erholt. Die wenigen Männer, die bei den Banketten und Bällen auftauchten, waren alle viel zu alt, um interessant zu sein, und außerdem temperamentlos. Ihr Beruf schien das elegante Nichtstun, ihre einzige Freizeitbeschäftigung das Abschlachten von Vögeln oder anderen Tieren. Einige von ihnen hatten zugegeben, nützliche Tätigkeiten auszuüben, wie etwa das Überwachen von Besitztümern. Ein oder zwei hatten sogar durchblicken lassen, daß sie im Handel tätig waren. Einige Reisende waren dabeigewesen, und Soldaten, Beamte und Priester. Gab es denn keine jungen, interessanten Männer im Impire?
In letzter Zeit betrachtete Inos Kinvale als einen Zoo, eine Spielzeugfarm, auf der das Weibervolk ans Haus gefesselt war, während die Männer draußen die Welt regierten. Diese Einsicht deprimierte sie sehr. Der Seeweg nach Krasnegar würde sich schon bald für den Winter schließen, und ihr standen viele trübe Monate bevor, bis er sich wieder öffnete.
Jetzt war Herzog Angilki näher zur Wiese mit den Damen herangekommen und stellte alle einander vor. Er war natürlich wunderbar gekleidet, sein weites Wams strahlte weiß, seine Hosen in hellem Scharlachrot. Sein Umhang war flaschengrün, schmal eingefaßt mit Hermelin – vermutlich viel zu heiß für diese Jahreszeit, dachte Inos, aber das schwere Material würde seine untersetzte Figur besser verbergen als leichtere Stoffe. Er hatte einen exzellenten Schneider. Er ging weiter zur nächsten Gruppe von Damen, und Inos erhaschte einen ersten Blick auf seinen Begleiter.
Hm! Gar nicht schlecht!
Der Fremde war ein vergleichsweise junger Mann, eine Seltenheit. Inos
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