Dave Duncan
schließlich die näheren Regionen zu glühen anfingen. Das ganze Monster war heißer als die Esse eines Schmieds. Hitzeflimmern verzerrte die Luft um den Drachen herum, geschmolzenes Glas bedeckte den Boden. »Das Wort?« rief Rap. »Verratet mir Eures!« verlangte Sagorn. Rap versuchte, das bißchen Mut zusammenzukratzen, das ihm noch geblieben war. Ihm war schlecht, und die Sinne schwanden ihm, und er fühlte sich sehr dumm. Aber er würde sein Wort jetzt nicht preisgeben. Auch wenn er sterben mußte.
»Nein! Erinnert Ihr Euch an das, was Andor sagte, als wir auf die Kobolde trafen? Das Blatt hat sich gewendet, Sagorn. Jetzt brauchen wir mein Talent, nicht seines! Nicht Eures! Meines! Aber ich brauche mehr Macht.«
Genau das hatte er geplant, deswegen hatte er Jalon in die Falle gelockt; aber er hatte gedacht, er würde nur bluffen. Er hatte geglaubt, er könne den Drachen kontrollieren und Sagorn so weit einschüchtern, daß er ihm das Wort der Bande verriet. Jetzt war es kein Bluff mehr. Er konnte dieses Monster genauso wenig kontrollieren, wie er mit ihm ringen konnte. Und er bezweifelte sehr, daß er es als Geweihter besser machen würde. Vermutlich konnte nur ein echter Zauberer einen Drachen bezwingen.
Sagorn sah ebenfalls krank aus, abgezehrt und fuchsteufelswild. Seine Augen wanderten unruhig zu den Klippen. »Dort ist vielleicht eine Höhle. Wenn ich mich vor ihm verstecken kann, spürt er Thinal vielleicht nicht in mir…«
»Nein!« Rap sprang vor und ergriff den alten Mann an seinen knochigen Schultern. »Das wird nicht funktionieren, und Ihr wißt das! Er wird einfach Feuer hinter Euch her blasen. Sagt es mir! Sagt es mir jetzt, oder wir werden alle sterben.«
Nicht Ishist! schloß der Drache. Zweibein nicht Ishist!
Er hastete weiter, und geschmolzener Felsen stob hinter ihm auf. Dornige Büsche gingen in weißen Flammen auf, als der Drache an ihnen vorbeistampfte.
Sagorn heulte auf und beugte sich näher zu Rap hinunter.
»Nun?« schrie Rap. »Sprecht!«
»Ich kann nicht! Es tut weh!«
Rap schüttelte ihn wie ein Federkissen. »In zwei Sekunden wird es noch viel schlimmer weh tun!«
Der alte Mann schluckte schwer, schwankte und sackte über Raps Schulter, ganz plötzlich ein totes Gewicht. Merkwürdige Geräusche formten sich in seiner Kehle, als habe er einen Anfall. Rap konnte ihn kaum aufrecht halten.
»Sagorn!« kreischte er. »Doktor! Sagt es mir!«
Der Drache war in der Ebene angelangt und kam schneller näher, als Rap sich hätte träumen lassen, schneller als ein herabstoßender Falke. Größer und größer, mit funkelnden Juwelenaugen…
Da raffte sich Sagorn gerade genug auf, um Rap sein Wort der Macht ins Ohr zu flüstern.
2
Ein Wort der Macht zu erfahren mochte so ähnlich sein, wie vom Blitz getroffen zu werden. Es gab nichts Vergleichbares. Einen ewigen, leblosen Augenblick lang dachte Rap, er werde auseinandergerissen. Lichter schienen in die Dunkelheit zu schießen, dann folgte Musik und eine große Stille. Fanfaren, Glockenspiele und eine tiefe, tiefe Stille. Einsamkeit und wirbelnde Sterne. Da war Schmerz. Da war Ekstase.
Es blieb keine Zeit, diese Erfahrung zu genießen. Rap sah auf, und der monströse Kopf des Drachen war beinahe über ihm, seine Hitze verbrannte Raps Gesicht. Er roch den angesengten Stoff seiner Kleider. Sagorn und Gathmor hatten sich abgewandt und stolperten schreiend von dannen. Die riesigen Augen funkelten wie Edelsteine mit einer tödlichen unmenschlichen Intelligenz auf sie hinunter, voller Gedanken, die kein Mensch denken konnte, voller fremdartiger Gefühle, die kein menschliches Wesen je verstehen konnte; der riesige Mund öffnete sich und entblößte Reihen kristalliner Zähne um einen ewigen Feuersturm wie eine gefangene Sonne. Die Schuppen glänzten wie Metall und strahlten Hitze ab.
Geh weg! kreischte Rap und wußte nicht, ob er die Worte laut aussprach oder nicht.
Erneut schwang sich der Drache im Schock in die Luft; dieses Mal stürzte er rückwärts. Die Klauen griffen ins Leere; das Monster schlug mit einem Aufprall auf, der die Welt erschütterte und seinem Schlund einen Rülpser aus purpurfarbenem Feuer entrang. Felsbrocken fielen von dem Kamm hinter Rap zu Boden, Schuppen und gepanzerte Rückenplatten und eine halbe Rippe. Der lebende Drache war wesentlich gefährlicher als der tote.
Ein Feuer mentaler Explosionen schien von ihm aufzusteigen, auf diese Entfernung hätten sie Raps Gehirn versengen müssen, aber er blockte sie
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