Dave Duncan
die raffinierten Sicherungen an den Türen der Schränke und die Schubladen, die sich nicht öffneten, wenn das Schiff schlingerte. Träger klopften, traten mit Gepäckstücken ein und gingen wieder. Der Raum wirkte trotzdem noch geräumig.
Schließlich zog sie einen wunderbar bequemen Stuhl zu sich heran, drehte ihn zu den großen Fenstern und sank mit einem Seufzer hinein. Sie schleuderte die Schuhe von den Füßen und schickte sich an, einfach nur das Treiben im Hafen zu beobachten.
Einige Minuten später öffnete sich die Tür und fiel laut wieder ins Schloß. Inosolan kam schweigend zum Fenster. Über ihnen liefen Füße hin und her, Stimmen riefen etwas und Holzbohlen quietschten. Das Schiff entfernte sich bereits vom Kai. Die Dawn Pearl neigte sich leicht, als der Wind ihre Segel erfaßte. Inosolan hatte noch kein Wort gesagt.
»Wo ist seine Majestät?« fragte Kadolan.
Gut geraten – Inosolan drehte sich um und sah sie finster an. Sie trug ein richtiges Kleid aus kühler, smaragdgrüner Seide mit halblangen Ärmeln und einem tiefen Ausschnitt. In den letzten Monaten hatte sie ihre Haare wachsen lassen, und jetzt waren sie hoch auf ihrem Kopf aufgetürmt und wurden von einer Perlentiara gehalten. Sie war so schön wie der Traum eines Dichters von der Jungfernschaft. Ihr tödliches Schmollen hätte eine Sechsjährige beschämt, die ohne Abendessen zu Bett geschickt wurde.
»Unten, im Gnomquartier, wie sie es hier nennen. In Ketten.« »Das erscheint mir keine gute Wahl.«
Inosolan drehte ihr den Rücken zu und sprach zu den Fenstern. »Er hat sich geweigert, an Bord zu gehen und hat verlangt, sich an den Emir wenden zu dürfen. Die Imps haben ihn natürlich mit dem Schwert im Rücken die Gangway hinaufgetrieben.«
Der Lärm draußen riß nicht ab, in Kadolans Kabine dagegen senkte sich nachdenkliche Stille nieder. Es wäre interessant zu erfahren, was mit Azak geschehen würde, wenn die Dawn Pearl Angot erreichte. Die Weiterreise nach Hub mit der Postkutsche würde lange dauern, hinüber zum Qoble-Gebirge und dann durch die Shimlundok-Provinz. Skarash schwor, er würde nicht weiter als bis Angot reisen.
Würde sie in Angot Magie erwarten? Oder war bereits Magie an Bord? Würde Azak den ganzen Weg in die Hauptstadt in Ketten liegen? Im Augenblick war das kaum von Belang. Kadolan beugte sich hinunter, um ihre Schuhe zu suchen.
»Sturer Narr!« murmelte Inosolan.
»Selbst schuld.«
Inosolan hatte sich wirklich gut geschlagen. Monatelang hatte sie sich in der Wüste den Sultan vom Hals gehalten, ohne seine Gefühle zu verletzen oder ihm falsche Hoffnungen zu machen. Das war keine geringe Leistung gewesen. Jetzt machte sich Kadolan Sorgen, daß die Beziehung sich auf eine Weise veränderte, die sie nicht genau beschreiben konnte. Die schrecklichen Ereignisse in Thume hatten alle erschüttert. Azak war beinahe gestorben, Inosolan fast vergewaltigt worden. Seitdem hatte sich vieles verändert, die Stimmung war anders, die Werte neu geordnet. Vielleicht hatte Ullacarn , die Rückkehr in die Zivilisation, zu dieser Veränderung beigetragen. Azak in Impkleidung war ein Schock gewesen – auf jeden Fall für Kadolan, und vermutlich auch für Inosolan. Er war kein Barbar mehr.
Vielleicht war es für alle Betroffenen besser, wenn er den Rest der Reise in Ketten verbrachte, den ganzen Weg bis nach Hub. Inosolan konnte im Wagen sitzen, und der gefährliche junge Mann mit dem Gepäck aufs Dach geschnallt werden.
Kadolan tadelte sich für ihre unwürdigen Gedanken.
»Also, das hier ist purer Luxus«, sagte sie. »Ist deine Kabine genauso prächtig wie meine?«
»Ich habe nicht nachgesehen.«
Kadolan, wieder angemessen in Schuhen, stand auf. »Dann laß uns hinübergehen und einen Blick hineinwerfen, und dann gehen wir hinauf und…«
Inosolan wirbelte herum und starrte sie an. »Und machen uns einen schönen Tag, nehme ich an?« »Warum nicht?«
»Nun, für dich ist es einfach! Ich bin auf dem Weg zur Hochzeit mit einem Kobold. Ich wurde von einem Hexenmeister gefangen, und gemessen an der Art, wie er mich angesehen hat, wird mich der Kobold womöglich gebraucht bekommen. Azak ist dort unten im Kielraum, und ich hasse Schiffe, und ich bin ein lausiger Seemann…«
»Und du klingst wie ein verzogenes Kind.«
»Und ich – Was? Du wirst doch nicht seekrank!«
»Bist du jetzt seekrank? Ist es die Seekrankheit, die dir Sorgen macht?« Inosolan machte ein schnaubendes Geräusch und schritt zur Tür.
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