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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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einem langen Leben sollte sie ihren Instinkten vertrauen können, und ihre Instinkte schrien, daß etwas ganz und gar nicht stimmte.
    Sie hatte Inosolan an der Tür zu den königlichen Gemächern zurückgelassen. Seitdem waren zwei Nächte und zwei Tage vergangen.
    Die Tage waren schwer gewesen, erfüllt mit bitterer Einsamkeit und Sorgen. Die Nächte waren noch schlimmer, das schreckliche Ende Rashas verfolgte sie in ihren Träumen. Dumme, alberne Frau! Wieder und wieder war Kadolan aus Alpträumen von jenem schrecklichen brennenden Skelett erwacht, dieser ängstliche, tragische Körper, der in einem letzten Schrei nach Liebe seine Arme gen Himmel erhob – um in einem abschließenden Auflodern der Flammen zu verschwinden.
    Vier Worte der Macht ergaben einen Zauberer. Fünf zerstörten. Master Rap hatte ein Wort in Rashas Ohr geflüstert, und sie war von den Flammen verzehrt worden.
    Der Balkon war hoch. Über Dächer und Kreuzgänge hinweg hatte Kadolan einen weiten Blick auf einen der großartigen Innenhöfe. Dort waren braungekleidete Wachen den ganzen Tag auf und ab gegangen und hatten Prinzen in grünen Kleidern oder – seltener – schwarzverhüllte Frauen eskortiert. Manchmal kamen Reiter vorbei. Sie waren zu weit von ihr entfernt, um deutlich erkennbar zu sein, doch die Art, mit der sie sich bewegten, hatte Kadolan davon überzeugt, daß die Männer sich genauso Sorgen machten wie sie selbst.
    Sie hatte sich geirrt.
Genau wie Inosolan.
    Ein Gott hatte Inosolan gewarnt, sie solle auf die Liebe vertrauen, und sie hatte angenommen, es handele sich um Azaks Liebe, hatte geglaubt, daß sie mit der Zeit lernen würde, die Liebe dieses riesigen Barbaren, den sie geheiratet hatte, zu erwidern.
    Und dann, zu spät…
    Er war mir ein Stalljunge. Kadolan hatte ihn nur einmal in jener letzten Nacht in Krasnegar gesehen. Sie hatte nicht direkt mit ihm gesprochen. Sie kannte ihn nicht. Niemand kannte ihn – er war nur ein Stalljunge! Weder gutaussehend noch charmant, noch gebildet, noch kultiviert, nur ein gewöhnlicher Arbeiter in den Ställen des Palastes. Doch er hatte Inosolan vor dem hinterhältigen Andor gerettet, und als die Zauberin Inosolan entführte, hatte er gerufen »Ich komme!«
    Woher hätten sie das wissen sollen? Er hatte Pandemia in einem halben Jahr durchquert, sich den Weg durch die geschlossene Formation der Wachen der Familienväter gekämpft, die Zauberin verschwinden lassen, indem er ihr eines seiner zwei Worte der Macht verriet – obwohl er die schrecklichen Folgen nicht geplant hatte.
    Der Gott hatte nicht Azak gemeint. Der Gott hatte den Stalljungen gemeint, den Freund aus Kindheitstagen.
    Jetzt war das alles offensichtlich.
Zu spät.
Und der Junge… Mann… Rap?
    Bestenfalls lag er irgendwo angekettet in irgendeinem schrecklichen Kerker, der Eifersucht des Sultans ausgesetzt. Schlimmstenfalls war er bereits tot, doch sie fürchtete, daß der Tod gar nicht mal das Schlimmste war.
    Schon in jener letzten, furchtbaren Nacht in Krasnegar hätte Kadolan bemerken müssen, daß ein Stalljunge, der ein Wort der Macht kannte, kein gewöhnlicher Bengel sein konnte. Und irgendwo auf seiner Reise hatte er ein zweites Wort erfahren; er war zum Geweihten geworden, zu einem Übermenschen. Das allein war eine erstaunliche Leistung, doch selbst zwei Worte der Macht konnten ihn jetzt nicht retten.
    Auf und ab… auf und ab… Kadolan ging auf und ab, auf und ab. Sie war Inosolans Anstandsdame und Beraterin gewesen. Sie hätte ihr einen besseren Rat geben sollen.
    Sie hatte es versucht, erinnerte sie sich. Sie war geneigt gewesen, Rasha zu vertrauen, als Inosolan es nicht tat. Wieviel besser wären die Dinge dann verlaufen? Wer konnte das jetzt noch sagen? Kadolan hatte vor der Flucht in die Wüste gewarnt, die so schändlich in einer Niederlage und erzwungener Rückkehr geendet hatte. Doch Kadolan war nicht beharrlich genug gewesen.
    Und so war Inosolan zu einem Leben in einem Harem verdammt, als Gefangene, die in einem fremden Land Söhne gebären mußte. Ihr Königreich war verloren, aufgegeben vom Impire und den Wächtern an die wenig zartfühlende Gnade der Thans von Nordland. Und der Junge Rap war tot oder lag im Sterben, und diese Schuld quälte Kadolan mehr als alles andere.
    Ob Liebe oder einfach nur Loyalität, keines von beiden sollte so grausam vergolten werden.
    Kadolan hatte niemals viel auf Magie gegeben. Sie war nicht besonders phantasievoll, das wußte sie, und sie hatte nie so recht an das

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