Dave Duncan
alles in der Welt könnte selbst ein Magier sie in einer solchen Wildnis aufgespürt haben?«
»Ah!« Skarash tat geheimnisvoll. Er sollte wirklich nach Essen rufen, um den vielen Alkohol zu binden, der in seinem Inneren umherschwappte. Djinns waren berüchtigt dafür, empfindlich auf Alkohol zu reagieren und mieden ihn aus eben diesem Grunde. Normalerweise trank er gar nicht. »Nun, die Zauberin hatte Großvater eine Vorrichtung gegeben, mit der er aufspüren kann, wenn jemand magische Kräfte einsetzt, versteht Ihr…«
4
»Tante?«
Zwinkernd öffnete Kadolan die Augen. Im Zimmer war es dunkel. Ihr Kopf fühlte sich geschwollen an, und ein gräßlicher Geschmack im Mund sagte ihr, daß sie geschlafen haben mußte. Schließlich erkannte sie die verhüllte Gestalt im Mondlicht.
»Inos!«
»Bleib liegen …«
Doch Kadolan rappelte sich hoch, streckte ihre Arme aus, und sie umarmten sich.
»Oh, Inos, mein Liebes! Ich war so… ähm… besorgt! Geht es dir gut?«
»Gut? Natürlich, Tante!« Inosolan machte sich frei und wandte sich dem Fenster zu. »Natürlich geht es mir gut. Ich bin die am meisten geliebte, am besten bewachte Frau in Arakkaran. Vielleicht in ganz Zark. Wie könnte es mir nicht gut gehen?«
Kadolans Herz pochte laut bei dem Ton in Inosolans Stimme. Sie trat vor, doch Inosolan entwand sich ihrer Berührung.
»Was machst du ganz allein, schläfst in einem Stuhl, Tante? Hast du heute abend etwas gegessen?«
»Erzähl es mir, Liebling!«
»Was erzählen?«
»Alles!«
»Also wirklich! Möchtest du Einzelheiten aus meiner Hochzeitsnacht hören?«
Kadolan schluckte schwer. »Ja, ich denke schon.«
Langsam wandte Inosolan ihr Gesicht ihrer Tante zu. Sie war von Kopf bis Fuß in weißen Stoff gehüllt. Nur ihre Augen waren zu sehen. »Warum, Tante! Das ist keine sehr damenhafte Frage.«
»Mach keine Witze, Inos. Hier stimmt doch etwas nicht.«
»Eindringlinge sind in den Palast eingebrochen und haben einige Wachen getötet.« »Inos, bitte!«
»Rap war dabei. Er ist im Gefängnis.«
»Ja.«
»Wegen mir. Das ist falsch – daß ein treuer Freund leiden soll, weil er versucht hat, mir zu helfen.«
»In einigen Tagen, wenn der Sultan Zeit gefunden hat, seine Wut zu ververdauen…«
Inosolan rang die Hände. »Haben wir noch einige Tage?« Ihre Stimme schwankte, dann fing sie sich wieder. »Was machen sie mit ihm, Tante? Weiß du es?«
»Nein, Liebes. Ich habe gefragt.«
»Ich wage es nicht. Azak hat versprochen, daß es kein Blutvergießen mehr geben wird, aber er ist wahnsinnig eifersüchtig. Ich wußte bislang nicht, was das bedeutet. Ich dachte, es sei ein Klischee, Klischee, oder, wahnsinnig eifersüchtig? Aber in diesem Fall trifft es zu. Er verbietet mir sogar, an einen anderen Mann zu denken. Würde ich erneut für Rap bitten, würde er ihn sofort umbringen lassen. Und was er in der Großen Halle getan hat…«
»Wir werden tun, was wir können, Liebes.«
»Das ist nicht viel, fürchte ich.«
Schweigen senkte sich nieder, und die beiden starrten einander im diffusen Schein des Mondes an, der hinter den Fenstern leuchtete, und Kadolan hörte das Klopfen ihres Herzens. »Da ist noch etwas, nicht wahr?«
Inosolan nickte. »Ich könnte dich niemals täuschen, oder?« Dann hob sie mit einer Hand ihren Schleier.
Oh, Ihr Götter! Kadolan schloß die Augen. Nein! Nein!
»Rasha ist zu früh gestorben«, sagte Inosolan.
»Sie hat den Fluch nicht von ihm genommen!«
»Nein. Sie wollte es zwar, doch ist sie nicht mehr dazu gekommen. Er wollte mich gerade küssen.«
Selbst in diesem geisterhaften Licht waren die Wunden deutlich zu sehen. Zwei Finger auf einer Wange… der Abdruck eines Daumens auf der anderen. Und das Kinn! Bis aufs Fleisch verbrannt.
Wie zerbrechlich war doch die Schönheit! Wie vergänglich! Fort. Fort! Scheußliche, verkrustete Wunden!
Entsetzt und sprachlos taumelte Kade zurück und sackte auf ihren Stuhl! Sie starrte fröstelnd voller ohnmächtigem Grauen zu Inosolan hinauf.
»Der Schmerz ist erträglich«, sagte Inosolan. »Ich kann damit leben.« Aber die Ehe…
Oh, Ihr Götter! Die Ehe?
»Er kann immer noch keine Frau berühren«, sagte Inosolan bitter. »Nicht einmal seine Ehefrau.«
Das Zimmer schien vor Kades Augen zu verschwimmen, und sie war sich nicht sicher, ob sie ohnmächtig wurde oder ihre Augen einfach mit Tränen überliefen. »Was können wir tun?« Sie hatte sich nicht träumen lassen, daß alles noch schlimmer werden könnte, aber so
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