David Garrett - die exklusive Biografie
antrieb, immer wieder dazu überwinden, überhaupt noch Ãbungsstunden einzulegen. Wenn er es tat, dann nur aus dem Grund, dass sich sein Pflichtbewusstsein so schnell nicht abschütteln lieÃ. David hatte immer noch einzelne Konzerte zu absolvieren und es war für ihn undenkbar, mit einem wenig meisterhaften Vortrag auf der Bühne zu stehen, statt wie gewohnt das Publikum zu begeistern.
Erstmals erlebte David in London auch, dass nicht alle Menschen auf die Notwendigkeiten im Leben eines Geigenvirtuosen Rücksicht nahmen. Wenn sich David in seiner kleinen Wohnung zu einer Ãbungseinheit entschloss, konnte er nicht mehr auf Ungestörtheit wie in dem abgeschotteten Anwesen der Familie vertrauen. Stattdessen erklärten ihm Nachbarn deutlich, dass ihnen das stundenlange Gefiedel auf die Nerven ging.
Also musste David nach einem anderen Ãbungsraum suchen â in einer so groÃen und ihm gröÃtenteils fremden Stadt kein leichtes Unterfangen. Seine Wahl fiel ausgerechnet auf jenen Ort, an dem er bisher wenig durch Können geglänzt hatte. David marschierte mit seiner Geige zum Royal College of Music und begann dort zu spielen. Am College hielt man jedoch wenig von Studenten, die sich auf eigene Faust Zugang zu den Räumlichkeiten verschafften und diese nach eigenem Ermessen nutzten, ohne auch nur einmal um Erlaubnis zu bitten â vor allem wenn diese Studenten der Hochschulleitung bisher nur dadurch aufgefallen waren, dass man sie selten zu Gesicht bekam.
Davids plötzlicher Eifer an der Geige stieà bei dem College auf wenig Gegenliebe. Stattdessen sprach man mit ihm in einer Art, die der erfolgsverwöhnte Jungstar bisher nicht kannte: Man sagte ihm ohne groÃe Umschweife, dass es vermutlich für alle Beteiligten besser sei, wenn er sein Studium abbräche.
David war zu jener Zeit, schonend ausgedrückt, etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Ihm war einerseits bewusst geworden, dass er das Leben, das er in seiner Kindheit und Jungend geführt hatte, nicht fortsetzen wollte â von dem Druck, der beständig auf ihn ausgeübt worden war, wollte er sich auch für die Zukunft befreien. Andererseits fehlte ihm noch die Alternative, der Plan für seinen weiteren Weg.
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Der Ausweg aus dieser von Unsicherheit und Chaos geprägten Phase stellte sich schneller ein als vermutet. Er erfolgte auf äuÃerst grausame Weise. David, der so lange ohne Freunde gelebt und nun in London endlich Anschluss gefunden hatte, verlor einen seiner engsten Bekannten. Er erlebte mit, wie ein Freund infolge einer Ãberdosis einen Kreislaufkollaps erlitt und starb.
Gerade erst aus dem für ihn erbauten Goldenen Käfig entflohen, wurde David nun mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Dieser Schock warf ihn fast aus der Bahn. War das der Preis der Freiheit? Würde ihn ein ähnliches Schicksal ereilen, wenn er einfach weitermachte und das Leben in vollen Zügen genoss?
So schrecklich dieses Erlebnis auch war, für David bedeutete es vermutlich die Rettung â jedenfalls in Hinblick auf seine Karriere. Zwar ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass die Fortsetzung der Lebensweise, die er in London pflegte, auch für ihn lebensbedrohliche Konsequenzen gehabt hätte, der Weg zurück zur Musik wäre ihm jedoch vermutlich versperrt gewesen, hätte er sich doch dann vielleicht zu weit von ihr und von seinen Fähigkeiten entfernt.
Nach dem Tod seines Freundes wurde David klar, was er bisher nicht erkannt hatte. Er wusste nun tatsächlich, was er wollte und wie sein zukünftiger Lebensweg aussehen sollte. Er wollte Musik machen, er wollte Geige spielen. Aber wollte dies nicht mehr in der Weise tun, wie andere es von ihm verlangten. David sehnte sich nach der groÃen Bühne, nach der Anerkennung und nach dem Beifall des Publikums. Aber er sehnte sich nicht nach zu Hause und schon gar nicht nach den Menschen, die ihm ständig sagten, was er zu tun und zu lassen habe.
Damit war schon mal klar, welchen Weg er von London aus nicht einschlagen wollte: Auf keinen Fall sollte es zurückgehen nach Aachen.
Plötzlich war er wieder da, der Plan, den er doch eigentlich ohnehin schmiedete. Der Plan, den er sich von seinen Eltern ausreden lieÃ, da er damals noch in dem Automatismus gefangen war, es Vater und Mutter recht machen zu wollen. Durch die Distanz lastete dieser Druck längst nicht mehr so schwer auf ihm.
Der Wunsch, nach New
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