David und Goliath
Arbeitsbelastung ihren Unterrichtsstil ändern. Es deutet jedoch alles darauf hin, dass Lehrer dies nicht tun, sondern einfach weniger arbeiten. Das ist nur allzu menschlich. Stellen Sie sich vor, Sie sind Arzt und erfahren plötzlich, dass Sie an einem Freitagnachmittag nicht 25, sondern nur 20 Patienten behandeln sollen und trotzdem dasselbe verdienen. Würden Sie sich jetzt mehr Zeit für jeden Patienten nehmen? Oder würden Sie lieber eine Stunde eher nach Hause gehen, um mit Ihren Kindern zu Abend zu essen?
Damit kommen wir zur entscheidenden Frage: Können Klassen auch zu klein werden, genau so wie Eltern zu viel Geld verdienen können? In einer Umfrage habe ich Lehrern in den Vereinigten Staaten und Kanada diese Frage gestellt, und fast alle stimmten zu. Dies war eine typische Antwort:
» Meine Lieblingsgröße ist 18. Bei 18 Kindern muss sich keins verwundbar fühlen, aber alle können das Gefühl haben, wichtig zu sein. 18 Kinder lassen sich wunderbar auf Zweier-, Dreier- oder Sechsergruppen aufteilen, in denen man verschiedene Grade der Intimität herstellen kann. Bei 18 Kindern kann ich mich auch um ein Kind allein kümmern, wenn das nötig wird. 24 ist auch nicht schlecht. Die zusätzlichen sechs Kinder machen es wahrscheinlicher, dass es ein oder zwei Rebellen gibt, die den Status quo hinterfragen. Der Nachteil ist, dass sich die Gruppendynamik abschwächt und die Kinder leicht vom Team zum Publikum werden. Mit sechs weiteren Kindern ist man dann bei 30, und die Gruppendynamik ist so schwach, dass es selbst charismatischen Lehrern schwerfällt, jedes Mal das Feuer zu entzünden. «
Aber wie sieht es in der Gegenrichtung aus? Wenn man von 18 Kindern 6 abzieht, ist man beim letzten Abendmahl angekommen. Und genau das ist das Problem: Zwölf Kinder passen um einen großen Esstisch herum, und das ist vielen zu intim, vor allem an Tagen, an denen sie ihre Autonomie wahren wollen. Diese Gruppen werden leicht von Großsprechern oder Rüpeln dominiert, und das könnte allzu oft auch die Lehrkraft selbst sein. Und wenn wir bei sechs Kindern angekommen sind, gibt es überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich zu verstecken, und die bereichernde Vielfalt an Gedanken und Erfahrungen geht fast völlig verloren.
Eine kleine Klasse bringt für Lehrer also oft genauso große Schwierigkeiten mit sich wie eine große. Bei großen Klassen ist das Problem die Vielzahl der potenziellen Interaktionen, bei kleinen ist es deren Intensität. Oder wie mir eine andere Lehrerin schrieb: »Wenn eine Klasse zuklein wird, benehmen sich die Kinder wie Geschwister auf der Rückbank des Autos. Es gibt einfach keine Möglichkeit, die Streithähne auseinanderzuhalten.«
Ein anderer Lehrer, der kürzlich schlechte Erfahrungen mit einer 32-köpfigen Klasse gemacht hatte, schrieb: »Wenn ich vor einer derart großen Klasse stehe, denke ich spontan: ›Jedes Mal, wenn es etwas zu korrigieren gibt, sitze ich Stunden hier in der Schule herum und kann nicht zu Hause bei meinen Kindern sein.‹« Aber eine Gruppe von weniger als 20 Kindern möchte er auch nicht unterrichten:
» Der Unterricht wird nur richtig lebendig durch die Diskussion, aber um die in Gang zu bringen, ist eine bestimmte kritische Masse nötig. Ich unterrichte zurzeit eine Klasse, die grundsätzlich nichts diskutieren will, und das kann ganz schön anstrengend sein. Wenn die Klassen zu klein sind, leidet die Diskussion. Das klingt paradox, denn man sollte doch eigentlich meinen, dass stille Kinder, die sich nicht trauen, vor 32 Klassenkameraden den Mund aufzumachen, vor 16 Kindern weniger Hemmungen haben. Aber das hat sich zumindest in meiner Erfahrung nicht bestätigt. Stille Kinder sind still, egal wie groß die Gruppe ist. Aber wenn die Gruppe zu klein wird, gibt es oft zu wenig unterschiedliche Meinungen, um eine Diskussion in Gang zu bringen. Das hat mit der Dynamik zu tun, auch wenn das schwer zu beschreiben ist. Eine kleine Gruppe hat nicht die Dynamik, die aus der Reibung zwischen den Kindern entsteht. «
Und wie sieht es in wirklich kleinen Klassen aus? Sie werden staunen.
» In der zwölften Klasse hatte ich einen Französischkurs mit neun Schülern. Das klingt wie ein Traum, oder? Es war ein Alptraum! Man bekommt in der Zielsprache einfach kein Gespräch und keine Diskussion mehr in Gang. Vokabel- oder Grammatikspiele sind kaum möglich. Dazu fehlt einfach der Schwung. «
Der Wirtschaftswissenschaftler Jesse Levin hat faszinierende
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