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David und Goliath

David und Goliath

Titel: David und Goliath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Hotchkiss. Die Schule gilt als eines der besten privaten Internate der Vereinigten Staaten. Die Eltern zahlen pro Jahr Schulgebühren in Höhe von 50   000   Dollar. Die Schule hat zwei Seen, zwei Eishockeyplätze, vier Teleskope, einen Golfplatz und zwölf Klaviere. Das sind nebenbei bemerkt natürlich nicht irgendwelche Klaviere, sondern Steinways, die zu den teuersten Klavieren der Welt zählen. 26 In Hotchkiss wird nicht an der Bildung der Kinder gespart. Die Klassen haben im Durchschnitt 12   Schüler. Das Lernumfeld, das DeBrito fürchtet, wird in Hotchkiss als größtes Plus verkauft. »Wir bieten ein intimes, interaktives und exklusives Lernumfeld«, erklärt die Schule stolz.
    Aber warum bietet eine Schule wie Hotchkiss etwas, das den Schülern so offensichtlich schadet? Vielleicht liegt es daran, dass die Schule nicht an ihre Schüler denkt. Sie denkt an die Eltern, und für die sind der Golfplatz, die Steinways und die intimen Klassen der beste Beweis, dass sie ihre 50   000   Dollar gut angelegt haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Philosophie von Hotchkiss überhaupt nichts mit Bildung zu tun hat. Grund ist vielmehr die Falle, in die reiche Menschen, reiche Einrichtungen und reiche Länder allzu oft tappen: Sie nehmen an, dass die Dinge, die sie sich als Reiche leisten können, automatisch einen Vorteil darstellen. Das stimmt natürlich nicht. Das ist die Lektion der umgekehrten Parabel: Es ist ein Vorteil, größer und stärker zu sein als der Gegner. Aber es ist kein Vorteil mehr, wenn man so groß und so stark ist, dass man leichte Beute für einen Stein wird, der mit 120   Kilometern pro Stunde geschleudert wird. Goliath verlor den Zweikampf, weil er zu groß war. Der Hollywoodmogul zweifelt an seinen Vaterqualitäten, weil er zu reich ist. Hotchkiss ist nicht die Schule, die sie sein will, weil ihre Klassen zu klein sind. Wir nehmen an, dass es in unserem Interesse ist, größer, stärker und reicher zu sein. Vivek Ranadivé, ein Hirtenjunge namens David und die Direktorin der Mittelschule von Shepaug Valley würden uns da entschieden widersprechen.

KAPITEL 3
Caroline Sacks

    Wenn ich mich für die Universität von Maryland entschieden hätte, dann wäre ich heute Naturwissenschaftlerin.
    Caroline Sacks
1
    Vor 150   Jahren war Paris der Nabel der Kunstwelt. Damals traf sich jeden Abend eine Gruppe von Künstlern im Café Guerbois im Quartier des Batignolles. Rädelsführer war ein gewisser Édouard Manet, einer der ältesten und etabliertesten der Gruppe – ein gut aussehender und geselliger Mittdreißiger, der sich nach der neuesten Mode kleidete und die Menschen in seiner Umgebung mit seiner Energie und seinem Humor einnahm. Manets bester Freund war Edgar Degas. Er war einer der wenigen, die es an Wortgewandtheit mit Manet aufnehmen konnten. Die beiden hatten ein feuriges Temperament, eine scharfe Zunge und gerieten sich gelegentlich in die Haare. Paul Cézanne, ein groß gewachsener und mürrischer Mann, brütete in seiner Ecke. Statt eines Gürtels trug er einen Strick um den Bauch. »Heute gebe ich dir lieber nicht die Hand«, sagte er einmal zu Manet. »Ich habe mich seit acht Tagen nicht gewaschen.« Claude Monet war ein egozentrischer Dickkopf, doch als Sohn eines Krämers konnte er mit den anderen in Sachen Bildung nicht mithalten. Sein bester Freund war Auguste Renoir, ein »lässiger Bursche«, der in den vielen Jahren ihrer Freundschaft ganze elf Porträts von Monet malte. Das Gewissen der Gruppe war Camille Pissarro, ein leidenschaftlich politischer, loyaler und prinzipientreuer Mann. Selbst der grantige Einzelgänger Cézanne mochte Pissarro und bezeichnet sich noch Jahre später als »Cézanne, Schüler von Pissarro«. 27
    Gemeinsam sollten diese außergewöhnlichen Maler als Begründer des Impressionismus und Erfinder der modernen Kunst in die Geschichte eingehen. Sie malten einander, sie malten miteinander, sie unterstützten einander emotional und finanziell, und heute hängen ihre Bilder in jedem wichtigen Kunstmuseum der Welt. Doch in den 1860er Jahren ging es ihnen schlecht. Monet war pleite. Renoir musste ihm einmal Brot bringen, damit er nicht verhungerte. Nicht dass es Renoir besser gegangen wäre – er hatte nicht einmal genug Geld, um Farben zu kaufen. Kaum ein Händler interessierte sich für ihre Bilder. Wenn einer aus der Schar der Kunstkritiker, die das Paris der 1860er Jahre bevölkerte, die Impressionisten überhaupt erwähnte, dann meist nur, um

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