David und Goliath
körperliche Arbeit. Er wurde behandelt wie jeder andere Mitarbeiter. »Danach wollte ich nur noch weg aus Minneapolis«, erzählt er. »Ich wollte nie mehr für meinen Vater arbeiten müssen. Die Arbeit war furchtbar, schmutzig, hart und langweilig. Ich habe Alteisen in Fässer geladen, vom ersten bis zum letzten Ferientag. Am Ende habe ich mich nicht mehr sauber bekommen. Heute glaube ich, mein Vater hat mir diese Arbeit gegeben, weil er gewusst hat, dass ich dann aus Minneapolis weg wollte. Das sollte mich motivieren, mir etwas Besseres zu suchen.«
Während des Studiums zog er einen Wäschedienst auf, das heißt, er sammelte die Wäsche seiner wohlhabenden Kommilitonen ein, brachte sie in die Wäscherei und holte sie wieder ab. Er organisierte Europareisen für Studierende. Wenn er denn einmal mit seinen Freunden Basketballspiele besuchte, dann saß er auf den schlechtesten Plätzen, hinter Säulen, und fragte sich, wie es wohl sein mochte, in der VIP-Loge zu sitzen. Er studierte Wirtschaft und Jura in New York City und lebte in einem Problemviertel von Brooklyn, um Geld zu sparen. Nach seinem Abschluss bekam er einen Job in Hollywood, der zu einem besseren Job führte, und der wiederum zu einem neuen, noch besseren, zu neuen Geschäften, Preisen und einer Reihe außergewöhnlicher Erfolge. Heute hat er in Beverly Hills eine Villa von der Größe eines kleinen Schlosses, seinen eigenen Privatjet, in der Garage steht ein Ferrari,und das Tor seiner schier endlosen Zufahrt sieht aus, als hätte er es in Europa in einer Burg abmontiert. Er weiß, was Geld bedeutet. Und der Grund ist, dass er in seiner Kindheit in den Straßen von Minneapolis gelernt hat, seinen Wert zu schätzen.
»Ich wollte frei sein, ich wollte Dinge besitzen. Geld war ein Instrument für meine Hoffnungen, meine Wünsche und meinen Antrieb«, sagte er. »Das hat mir niemand beigebracht. Ich habe es selbst gelernt. Ich habe viel ausprobiert und eine Menge Fehler gemacht. Aber es hat mir gefallen. Es hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Ich hatte mehr Kontrolle über mein Leben.«
Während er das sagt, sitzt er zu Hause in seinem Büro – einem Raum, der größer ist als so manche Wohnung. Er hat Kinder, die er heiß und innig liebt. Wie alle Väter möchte er natürlich für sie sorgen und ihnen mehr geben, als er selbst hatte. Doch ihm ist klar, dass dies ein riesiger Widerspruch ist. Er wurde erfolgreich, weil er auf die harte Tour lernte, was Geld und Arbeit bedeuten, und weil er aus eigener Erfahrung wusste, dass es Glück und Erfüllung bringt, den eigenen Weg zu gehen. Doch gerade wegen dieses Erfolgs wird es seinen Kindern schwerfallen, dieselbe Lektion zu lernen. Die Kinder von Hollywood-Multis fragen ihre Nachbarn in Beverly Hills nicht, ob sie ihren Rasen mähen dürfen. Ihre Väter halten ihnen nicht zornig die Stromrechnung unter die Nase, wenn sie das Licht brennen lassen. Und sie sitzen nicht hinter einer Säule in einer Basketball-Arena und fragen sich, wie es sich wohl anfühlt, in der VIP-Loge zu sitzen. Sie leben in der VIP-Loge.
»Ich glaube, es ist sehr viel schwerer, Kinder in einer reichen Umgebung aufzuziehen, als die meisten Menschen meinen«, sagt er. »Armut kann einen Menschen kaputtmachen. Aber Reichtum auch, denn der Reichtum nimmt ihnen den Ehrgeiz, den Stolz und das Selbstwertgefühl. Das Leben ist an beiden Extremen schwierig. Am besten ist vermutlich ein Punkt irgendwo dazwischen.«
Vermutlich fällt es Ihnen nicht ganz leicht, Mitgefühl für einen Multimillionär aufzubringen, der über die Zukunft seiner Kinder jammert. Seine Sprösslinge werden immer in den vornehmsten Häusern leben und immer Erster Klasse reisen. Aber es geht ihm gar nicht um denmateriellen Wohlstand. Er ist ein Mann, der sich seinen Namen hart erarbeitet hat. Einer seiner Brüder hat den Altmetallhandel des Vaters übernommen und ist reich geworden. Ein anderer ist heute Arzt und hat eine gut gehende Praxis. Sein Vater hat drei Söhne großgezogen, die die Motivation hatten, ein erfülltes Leben zu suchen und es in der Welt zu etwas zu bringen. Für ihn als Multimillionär wird es deutlich schwerer, seine Kinder mit demselben Erfolg zu erziehen, wie sein Vater ihn und seine Brüder erzogen hatte, damals, im gemischten Viertel von Minneapolis.
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Unser Mann aus Hollywood ist natürlich nicht der Erste, der diese Erkenntnis hat. Vermutlich wissen Sie, wovon er spricht: Wenn es um Erziehung geht, ist mehr Geld nicht unbedingt
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