Davide
Leibwächter, das belustigte ihn. Sie nannte ihn den „Alten“, das
störte ihn!
Ihr
schwarzgemusterter Morgenmantel, oder was immer das sein sollte, das sie da
trug, hatte sich etwas geöffnet und gab ihm den Blick auf ihr Dekolleté und
mehr als den Ansatz ihres nackten Busens frei. Er entdeckte plötzlich ein paar
kleine Wassertropfen auf ihrer Haut, so als hätte sie gerade erst geduscht und
sich nur achtlos abgetrocknet. Falls sie überhaupt etwas darunter trug,
analysierte er in Sekundenbruchteilen, dann höchstens einen Slip!
Der
Gedanke erregte ihn schlagartig.
„Wen
meinst du mit ‚der Alte’?“
„Na,
den Neuen, Gandolfo natürlich“, versetzte sie ungeduldig, „wen sollte ich sonst
meinen?“
„Kennst
du ihn persönlich?“
„Nie
gesehen“, sie warf lässig das schmutzige Wattepad in den Papierkorb unter dem
Tisch.
„Liest
du denn keine Zeitungen?“
„Wenig!“
„Und
Fotos siehst du dir wahrscheinlich auch keine an, oder?“
Endlich,
stellte er fest, zögerte sie, warf ihm einen zweiten, diesmal längeren Blick zu,
und machte aber dann doch unbeirrt damit weiter, ihr Gesicht mit Lotion und
Papiertüchern zu bearbeiten. Nur ihre Gesten waren fast unmerklich langsamer
geworden und in ihren Augen, so glaubte er, hatte so etwas wie Erschrecken
aufgeglommen.
Langsam
kam zum Vorschein, was er unter dieser ganzen Maskerade an Grundierung, Puder,
Rouge, Lidschatten und Lippenstift schon vorher beim Event erahnt und unbedingt
hatte sehen wollen: das fein geschnittene Gesicht einer jungen Frau mit einer
geraden, nicht zu kleinen Nase, vollen, wohlgeformten Lippen und großen, leicht
schräg stehenden Augen. Die etwas nach oben gewölbten Augenbrauen gaben ihrem
Gesicht einen leicht erstaunten Ausdruck und die hohen Wangenknochen verliehen ihm
etwas Distanziertes.
Während
er Emma bei ihren eigentlich sehr intimen Verrichtungen zusah, wurde ihm klar,
was ihm so an ihr gefallen hatte, dass er sie unbedingt kennen lernen wollte:
es war diese Mischung aus Eleganz und Burschikosität, die sie auf ihn
ausgestrahlt hatte. Von ihr hätte er auf keinen Fall eine Abfuhr akzeptiert,
obwohl er früher, wenn er denn je eine bekommen hatte, nur schulterzuckend die Nächste
in der Warteschlange aufgefordert hätte, ihn zu begleiten. An ihr war etwas,
das er noch nicht greifen konnte, aber deutlich spürte. Und er war neugierig zu
erfahren, was das war. Bei ihrem Auftritt hatte sich nämlich nicht nur sein
Unterleib gemeldet, sondern erstaunlicherweise auch sein Hirn! Das war ihm
schon sehr lange nicht mehr passiert und er war inzwischen alt genug um zu
wissen, dass er auf solche Impulse hören sollte.
Er
musterte sie ganz offen. Der Blick, der ihm – wieder über den Spiegel –
begegnete, war unergründlich. Sie war kein Teenager mehr, so wie noch fast alle
ihre Kolleginnen, im Gegenteil, er schätzte sie sogar auf mindestens Ende
Zwanzig. Und sie war auch nicht blond. Warum also gerade sie? Sie passte nicht
im Geringsten in sein Beuteschema! Und das auch noch gerade jetzt, in dieser
Phase!
Als
sie schließlich mit der kompletten Prozedur fertig war, wandte sie sich ihm zu.
Zum ersten Mal sah er ihr ungeschminktes Gesicht von vorne und musste sich
beherrschen, nicht unwillkürlich den Atem anzuhalten. Ihn traf ein ruhiger, fester
Blick aus hellen, funkelnden Augen, der ihm unvermittelt das Adrenalin ins Blut
schießen ließ.
Sie
schien völlig unbewegt, doch Davide hatte den unter ihrem Tisch wippenden Fuß
bemerkt und in sich hineingelächelt. Der Eisberg hatte also immerhin Nerven,
das war gut zu wissen.
„Also
Sie sind das – na, dann nehme ich mal an, ich kann mir am Montag im
Personalbüro meine Papiere abholen, was?“, es klang spöttisch, doch ihre eisgrauen
Augen schienen mit einem Mal das Funkeln zu verlieren. „Hab schon verstanden.
Keiner ist frech zum Boss und einen Korb holt er sich bekanntlich auch nicht
gern!“
Und
noch ehe er Zeit für eine Erwiderung fand, fing sie auch schon an, ihre
Utensilien zusammenzuraffen und in ein Beauty-Case zu werfen.
„Nun
erst mal langsam mit den jungen Pferden“, beschwichtigte er sie und hielt ihr
Handgelenk fest, als sie an ihm vorbei nach einer Cremedose greifen wollte. Sie
hielt inne, wehrte sich aber nicht gegen seinen Griff. „Frech warst du bisher ja
nur zum Leibwächter, nicht zu deinem Boss. Und einen Korb hast du ihm
persönlich auch noch nicht gegeben, oder?“
Er
grinste sie breit an und zu seiner Überraschung lächelte sie
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