Davide
warten. Und dann? Die Tür eintreten und feststellen, dass sie tatsächlich
nicht da war?
Mit
einem mulmigen Ziehen in der Magengegend fragte er sich plötzlich zum
allerersten Mal, warum er sich eigentlich nie einen Schlüssel zu ihrer Wohnung
hatte geben lassen! Er hatte sie einmal danach gefragt, aber eine ausweichende
Antwort erhalten. Das war noch gar nicht so lange her und er hatte die
Aufforderung seither nicht wiederholt, obwohl er es sich ein paar Mal
vorgenommen hatte. Etwas an ihrer Reaktion hatte ihn davon abgehalten. Nun,
während er langsam und in Gedanken versunken weiterging, fragte er sich auf
einmal, warum sie so abweisend darauf reagiert haben mochte.
Einige
Schritte weiter stand er plötzlich unvermittelt vor den Fenstern der Trattoria,
in der er mit ihr erst vor etwas mehr als vierundzwanzig Stunden gewesen war.
Als seine Welt noch heil und Emma noch die Frau gewesen war, die zu kennen er
geglaubt hatte.
Hastig
wandte er sich ab. Hatte er sich getäuscht oder saß sie da wirklich gerade am
Tresen und plauderte mit einem Kerl, den er noch nie gesehen hatte?
Ein
zweiter Blick belehrte ihn eines Besseren. Es war nicht Emma, ja die Frau, die
er im ersten Schockmoment für sie gehalten hatte, sah ihr nicht einmal ähnlich.
Er
zwang sich, weiterzugehen. Und stutzte wieder, als er unerwartet vor ihrem Auto
stand. Seinem Auto, korrigierte er sich mit einer bitteren Lust daran, sich
selber zu quälen. Sie hatte den Wagen natürlich konsequent stehen lassen, so
wie es zwischen ihnen vereinbart gewesen war. Nein, widersprach er sich und das
bitter-schmerzhafte Ziehen um seinen Magen herum verstärkte sich, das hatte sie
so verlangt! Es hatte nie seinem Wunsch entsprochen, dass sie den Wagen
zurückgeben und nur als geliehen betrachten sollte. Sie hatte das so
gewollt, und vereinbart war da schon mal gar nichts gewesen, dazu gehörten
nämlich zwei!
Mit
Ernüchterung stellte er an diesem Punkt fest, dass offensichtlich die gesamte Grundstruktur
ihrer Beziehung weitgehend so konzipiert gewesen war, wie Emma das vorgegeben
hatte. Sie wollte nicht zu ihm in seine Wohnung ziehen, obwohl diese problemlos
groß genug war und das tat sie auch nicht. Sie wollte keine wertvollen und
verpflichtenden Geschenke annehmen, egal wie es ihm dabei erging und das tat
sie auch nicht. Sie wollte ihren Beruf nicht aufgeben, um nicht abhängig von
ihm zu sein und das tat sie auch nicht.
Alles
war so gelaufen, wie Emma es gewollt hatte. Und jetzt war Schluss, weil Emma es
gewollt hatte!
Einzelne
Puzzle-Teile begannen plötzlich wirr in seinem Kopf umherzutaumeln. Emma, wie
sie zuhause bei ihren Eltern zu ihm sagte ‚ Ich
zahle mein Taxi und ich zahle meinen Bus und ich steige aus, wann immer ich
will. Du leihst mir ein Auto und erwartest was dafür. Das ist mein
Problem’. Emma, als sie ihn wie zu Eis erstarrt angesehen hatte, als er ihr
gestern Abend seine Treue beteuert und ihr zum ersten Mal offiziell seine Liebe
gestanden hatte. Die ihm vorher gesagt hatte, es interessiere sie nicht, wohin
er gehe und was er tue, wenn sie nicht zusammen seien.
Wie
betäubt blieb er stehen.
War
das möglich?
Nein,
das konnte nicht sein. Das konnte unmöglich der Grund sein!
Und
doch wusste er, dass es so war, noch ehe er den Gedanken vollständig zu Ende
gedacht hatte. Alles führte darauf hin, die Aussagen ihrer Mutter, die
Unterhaltung mit Pavone, die vielen kleinen, unauffälligen Andeutungen, die er
von ihr selber im Laufe ihres Zusammenseins erhalten hatte und die ihm nie
besonders aufgefallen waren, obwohl sie das vielleicht hätten tun sollen!
Alles
gipfelte mit einem Mal in einer eiskalten, messerscharfen und unwiderlegbaren
Erkenntnis, die für ihn so unglaublich, so beklemmend und atemberaubend war,
dass er sich an einen Laternenpfahl klammern musste, um nicht unwillkürlich den
Halt zu verlieren, jetzt, da ihm soeben der Boden unter den Füßen verloren
ging.
Emma
hatte ihn nicht verlassen, weil sie an der Ernsthaftigkeit seiner Absichten und
Gefühle zweifelte.
Emma
hatte ihn verlassen, weil sie diese erkannt hatte!
€
Vorschau auf Teil zwei
Und
so geht es weiter mit Davide und Emma:
…Nach
einer gefühlten Ewigkeit knackte es im Hörer.
Erst
mal hörte sie nichts. Er schien zu überlegen, was er sagen sollte.
Dann
seine Stimme.
Nur
ein Wort.
Nur
ein Name.
„Emma!“
Emma
japste, als hätte ihr jemand einen Haken in die Magengrube verpasst.
Sie
war darauf gefasst gewesen und
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