Davids letzter Film
– nichts sagte ihm etwas. Doch dann, Kostüme:
Thea Harloff. Na bitte. Und Kamera: Hannes Marin. Hannes Marin? Mit dem hatten sie doch schon »Das Auge« gedreht!
Hastig schlang Flo den letzten Bissen seines Croissants hinunter, spülte mit Kaffee nach und stand auf. Er musste Hannes treffen,
möglichst noch heute. Eigentlich kannte er ihn kaum – Hannes hatte sich während des Drehs von »Das Auge« nie besonders für
Florian interessiert und immer nur mit David die Auflösung der nächsten Szene besprechen wollen. Andererseits hatte Hannes
während der Dreharbeiten aber auch ein paarmal in ihrer Wohnung übernachtet und würde sich bestimmt an ihn erinnern.
Auf dem Weg durchs Hotelfoyer zückte Florian sein Handy und wählte die Nummer der Auskunft. Eine Frauenstimme meldete sich.
»Hannes Marin – in welcher Stadt?«
Florian wusste es nicht und ließ die Nummer überall suchen. Ja, es gab einen Hannes Marin. In Berlin.
»Soll ich Sie nach der Ansage mit der Nummer verbinden?«
»Ja, bitte.«
Im Gehen fummelte er einen Stift aus der Tasche undnotierte die Nummer. Als er aus dem Hotel auf die Straße trat, ertönte bereits das Klingelzeichen bei Hannes zu Hause. Was
sollte er sagen, wenn sich Hannes doch nicht an ihn erinnerte?, schoss es Flo durch den Kopf. Da hob jemand ab.
»Marin.«
Florian erkannte ihn sofort. »Hannes, unglaublich, deine Stimme hat sich nicht verändert!« Er musste sich räuspern, beinahe
hätte er vor lauter aufgesetzter Beiläufigkeit angefangen zu husten. »Florian hier, Florian Baumgartner, erinnerst du dich?
Ich habe damals mit David zusammengewohnt, als ihr ›Das Auge‹ zum Teil bei uns gedreht habt, ewig her.«
Keine Antwort. Florian atmete aus. Was konnte er noch sagen? Da schien Hannes etwas zu dämmern.
»Florian, warte mal, doch … du meinst Flo, der Kumpel von David?«
»Genau. Ich hab gesehen, dass du bei seinem neuen Film wieder Kamera gemacht hast. Klingt spannend. Ich würd mich gern mit
dir treffen, ich bin grad in Berlin.«
Keine Antwort.
»Ich weiß, du bist ein gefragter Kameramann«, sprach Flo hastig weiter, »und hast eigentlich keine Zeit für so was. Die Pressearbeit
wird von einem Büro organisiert, mit denen muss ich mich absprechen und so weiter. Alles klar. Aber ich will gar keine Einzelheiten
über den neuen Film wissen, es geht mir vielmehr um David.«
Im Hintergrund hörte er, wie ein Kind plärrte. Papiere raschelten. Hannes hielt den Hörer zu, dumpfes Stimmengemurmel, dann
meldete er sich wieder.
»Klar, Florian, das wär was, ich würd dich auch gern mal wiedersehen. Das kriegen wir schon hin. Ruf mich am besten heute
Abend noch mal an, dann habe ich mit meiner Frau gesprochen. Im Moment drängen sich ein bisschen die Termine, und ich weiß
nicht genau, wann ich das dazwischenschieben kann.«
»Ich will dich nicht lange aufhalten, Hannes«, insistierte Flo. Das kannte er schon, wenn man beim ersten Anruf vertröstet
wurde, kam man beim zweiten meist gar nicht mehr durch. »Es ist nur – David wird vermisst, ich nehme an, du weißt das.«
Wieder war zu hören, dass Hannes das Telefon zuhielt, dennoch vernahm Flo, wie er mit erhobener Stimme sein Kind aufforderte,
den Raum zu verlassen.
»Flo?«
Er war wieder dran. »Wo bist du jetzt?«
»Ich wohne im Savoy, Fasanenstraße.«
»Okay. Wir sehen uns im Literaturhaus, kennst du das?«
»Ja, klar.«
»In einer Stunde. Aber ich hab nicht viel Zeit, das sag ich dir gleich.«
Florian merkte, dass Hannes’ Stimme hart geworden war, beinahe unfreundlich. Er versuchte einzulenken. »Also, wenn’s dir jetzt
nicht passt, Hannes, lass es uns auf später verschieben, ich ruf dich heute Abend noch mal an.«
»Nein, nein, Flo, das will ich nicht. Also von mir aus können wir uns treffen, wenn du willst. Aber ich möchte das nicht ewig
aufschieben. Lass es uns hinter uns bringen.«
Und damit legte er auf.
12
Florian sah auf die Uhr. In einer Stunde. Das ließ ihm genug Zeit, um in aller Ruhe den Weg zum Literaturhaus, das sich ganz
in der Nähe befand, mit einem kleinen Ku’dammbummel zu verbinden.
Sein Spaziergang führte ihn durch die Gegend zwischen Schlüter-, Knesebeck- und Mommsenstraße, wo sich ein fragwürdiger Schick
gehalten hatte, den Flo aus keiner anderen Stadt der Welt kannte. Eine typisch Westberliner Wohlstandsatmosphäre, die auch
nach dem Mauerfall ihre seltsame Provinzialität bewahrt zu haben schien. Udo Walz frisierte
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