Davids letzter Film
Hölzemann
aus Frankfurt gemeldet und eine Nachricht hinterlassen habe. Dem Zettel, auf dem die Telefonistin die Nachricht notiert hatte,
hatte Flo entnommen, dass Hölzemann wissen wollte, wie es voranging, und dass er die erste Rate – wie mit dem Sekretariat
vereinbart – bereits auf Flos Konto habe überweisen lassen. Da Florian nach dem langen Tag jedoch keine Lust verspürt hatte,
mit seinem Redakteur zu reden, war er nach einem heißen Bad todmüde ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen. Sich bei Hölzemann
zu melden, kam ihm aber auch jetzt nicht in den Sinn. Vielmehr wollte er ihn noch ein bisschen zappeln lassen. Das hatte noch
nie geschadet.
Ein Telefonat hatte er am Morgen dennoch bereitsgeführt. Und zwar mit Hölzemanns Kollegen, der ihm die »Audience«-Einladung weitergemailt hatte. Viel hatte er dabei allerdings
nicht erfahren. Der Kollege hatte berichtet, dass eine Praktikantin, die schon nicht mehr bei ihnen arbeitete, auf einer Techno-Party
in Frankfurt zum ersten Mal von »Audience« gehört hätte. Sie hätte sich mit ihrer Mail-Adresse auf einer Liste eingetragen
und ein paar Tage später die Einladung zugeschickt bekommen, die er an Florian weitergeleitet habe. Er habe es bereits nachgeprüft:
Die Antwortadresse, zu der Florian auch sein Foto und die Anmeldung geschickt hatte, sei nicht mehr geschaltet. Es habe sich
um einen Gratis-Account bei einem großen Provider gehandelt, wo Zehntausende solcher Adressen jeden Monat umsonst vergeben
würden. Mehr wisse er auch nicht.
Flo schlug die Tageszeitung auf, die er sich mitgebracht hatte, und überflog die Schlagzeilen. Wenn er David finden wollte,
wo sollte er anfangen zu suchen? Wusste er überhaupt noch, was in Deutschland wirklich los war? Klar, Regierungswechsel, Wirtschaftskrise,
Reformbemühungen – das hatten auch die spanischen Nachrichten und ›Der Spiegel‹ vermeldet, den er regelmäßig in Madrid kaufte.
Aber was war unter der Oberfläche los? Die kleinen Anzeichen, die Aufschluss darüber gaben, was für das Land in den nächsten
Jahren zu erwarten war, diese Anzeichen waren nicht bis nach Spanien durchgedrungen. Die bekam man nur mit, wenn man in dem
Land lebte.
Ungeduldig schlug er die Tageszeitung wieder zu und widmete sich dem Berliner Stadtmagazin, das seit jeher ausführlich über
die Filmszene berichtete. Er blättertezum Filmteil vor, in dem regelmäßig die Produktionen besprochen wurden, die neu ins Kino kamen. Auch diese Woche wieder hauptsächlich
Hollywood-Blockbuster, die in der ganzen Welt liefen. Daneben starteten jedoch zwei, drei deutsche Filme, von denen man in
Spanien niemals hören würde, Filme mit kleinem Budget und zum Teil sehr speziellem Ansatz.
Dann sah er es. »Nach dem verbotenen ›Metafilm‹ das neue Werk von David Mosbach, Arbeitstitel: ›Tabu‹. Ab Sommer im Kino!«
Eine Werbeanzeige für Davids neuen Film!
Neugierig sah Florian sich die Anzeige mit dem Filmplakat näher an. Offensichtlich zitierte das Plakat das Gangsterfilmgenre
der vierziger Jahre. Im Vordergrund war eine halbautomatische Pistole zu sehen, die mattschwarz glänzend von einer kräftigen
Männerhand umklammert wurde. Im Hintergrund, durch die Größe der Waffe auf die Dimension einer Spielfigur reduziert, drehte
sich eine junge Frau zum Betrachter um und sah ihm direkt in die Augen. In ihrem Gesicht stand jedoch keine Furcht, eher eine
sonderbare Mischung aus Irritation und Erregung. Oder einfach Lust, wie Flo entschied, während er ihren Ausdruck studierte.
Eine Assoziation, die durch die leichte Öffnung ihres Mundes, das clevere Make-up ihrer Augen und nicht zuletzt dadurch hervorgerufen
wurde, dass sie nichts als einen raffinierten Büstenhalter trug, der die zarte Farbe und satte Rundung ihrer Brüste betonte
und durch den sich ihre hart aufgerichteten Brustwarzen abzeichneten. Da sie ab knapp oberhalb ihres nackten Pos zu sehen
war, während sie mit den Händen ihre langen Haare auf dem Kopf zusammennahm,war die Aufnahme zwar jugendfrei, zugleich aber von so durchschlagender erotischer Intensität, dass Florian schlucken musste.
Er schenkte sich Kaffee aus dem Kännchen nach, das man ihm auf den Tisch gestellt hatte, und machte sich daran, die winzigen
Namen zu entziffern, die unten auf das Plakat gedruckt waren. Von den Schauspielern kannte er keinen. Kein Wunder, deutsche
Schauspieler waren in Spanien wirklich kein Thema. Produktion, Schnitt, Musik
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