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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Gesicht. »Davids Schweinkram
     interessiert mich nicht mehr. Ich hab viel zu lange für ihn gearbeitet. Damit ist jetzt Schluss!«
    Er hielt sein Gesicht so dicht vor Florians, dass der ihm genau in die Augen sehen musste. Und plötzlich erkannte er, was
     Hannes quälte. Es war Angst, nackte Angst.
    »›Das Auge‹ war nur der Anfang«, zischte Hannes. »Und ich hab die Schnauze voll von dem Scheiß!« Damit stieß er Florian zurück
     und marschierte auf den Ausgang des Gartens zu. Im selben Moment hielt ein schwerer Geländewagen direkt davor auf der Straße,
     der in zweiter Reihe auf ihn gewartet haben musste. Hannes überquerte den Bürgersteig, riss die Beifahrertür des Wagens auf,
     stieg ein und schlug die Tür hinter sich zu, während das Fahrzeug schon wieder anfuhr.
    »Hannes!« Jetzt hatte auch Flo die Straße erreicht. Mitzwei Sätzen war er an dem Wagen, der rasch an Fahrt gewann, bekam den Griff von Hannes’ Tür zu fassen, hielt sich daran fest
     und hämmerte gegen die Scheibe. Da wandte ihm Hannes noch einmal sein Gesicht zu. Vielleicht war es nur eine ungünstige Spiegelung
     im Glas, vielleicht war es Florians Aufregung – aber der Schreck fuhr ihm eisig unter die Haut. Hannes’ Gesicht schien den
     letzten Rest seiner Farbe verloren zu haben, sein Mund wirkte wie zugetackert, die Augen wie von verkrampften Muskeln versiegelt.
     Im selben Augenblick musste Flo den Türgriff loslassen, um von dem schweren Wagen nicht umgerissen und überrollt zu werden.
     Keuchend blieb er stehen und sah dem Fahrzeug nach, das mit aufheulendem Motor bis zum Ende der Straße raste, um die Ecke
     bog und dahinter verschwand.

13
    »Subliminale Bilder«, hallte es in Florians Schädel, als er den Ku’damm entlanglief. Er war verschreckt. Verwirrt. Verunsichert.
     Ihm war klar, dass er beim Blick in den Wagen vor lauter Aufregung Dinge zu sehen geglaubt hatte, die mit der Wirklichkeit
     nichts zu tun haben konnten. Doch je länger er versuchte, etwas über David herauszubekommen, desto bizarrer wurde es. Was
     zum Teufel war hier los? Hannes mochte schon immer ein komischer Kauz gewesen sein – der Mann, der eben vor ihm weggerannt
     war, konnte einem jedoch regelrecht leidtun. Offensichtlich steckte Hannes bis über beide Ohren in Schwierigkeiten, und diese
     Schwierigkeiten hatten aller Wahrscheinlichkeit nach etwas mit Davids Verschwinden zu tun. War auch David in Gefahr? Versteckte
     er sich vor etwas?
    Subliminale Bilder, sagte Flo sich wieder. Also kurze Bildfolgen, die so in einen Film hineingeschnitten waren, dass man sie
     gar nicht bewusst wahrnahm. Das musste der Grund für den überwältigenden Effekt des »Auges« gewesen sein!
    Aber was war auf diesen Bildern zu sehen? Eigentlich hatte Flo sie ja schon gesehen, sonst hätte er die außergewöhnliche Wirkung
     des Films nicht erlebt. Bewusstwahrgenommen hatte er sie jedoch nicht. Das wollte er jetzt schleunigst nachholen.
    Ein Anruf bei der Auskunft brachte ihn einen Schritt weiter. Die nächste Videothek befand sich nur wenige Querstraßen entfernt
     direkt auf dem Kurfürstendamm. Als Florian fünf Minuten später die Filiale einer großen Kette betrat, wurde ihm jedoch klar,
     wie gering die Wahrscheinlichkeit war, hier fündig zu werden. Im Eingangsbereich waren die Neuerscheinungen ausgelegt, weiter
     hinten standen ein paar Regale mit Klassikern, ganz hinten, abgegrenzt, der Porno-Bereich. Wer einen ausgefalleneren Film
     suchte, würde in dieser Videothek sicher keinen Erfolg haben. Aber er wollte es wenigstens versuchen.
    Der Verkäufer runzelte die Stirn. »Filme von David Mosbach? Der Name sagt mir was. Aber auf DVD? Nie gehört, tut mir leid.«
    Er wollte sich wieder abwenden, doch Flo ließ nicht locker. »Sein erster hieß ›Das Auge‹, eine Super 8-Produktion . Sie wissen schon, kleines Budget, die Leute machen mit, weil’s Spaß macht, nicht wegen des Geldes.«
    Der Mann schüttelte genervt den Kopf. »So was haben wir nicht, Meister. Aber wenn Sie drauf stehen: Es gibt einen Laden hinten
     in Schöneberg, die haben Amateursachen, Experimentalfilme, auch krasses Zeug.«
    Florian ließ sich den Weg beschreiben und saß bald darauf im Taxi.
     
    Mitten im Regenbogenkiez hinterm Nollendorfplatz ließ ihn der Fahrer raus. Was noch vor wenigen Jahren ein unscheinbares Viertel
     gewesen war, das vorzugsweisevon Schwulen und Lesben bewohnt wurde, hatte sich inzwischen zu einer Art Getto mit unverwechselbarem Look und perfekt

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