Davids letzter Film
Verschwörungstheorien versuchen. Sondern wenn wir durchschauen, dass der
Schein
die
wahre Wirklichkeit
ist!!
Das
ist es, was F3=F1 bedeutet. Es bedeutet, dass wir sozusagen die
Durchschaurichtun g
– wenn du mir folgen kannst –
umdrehen! «
Thea hob die Augenbrauen. »Wie bitte?«
Flo holte Luft. »Wenn du dir vergegenwärtigst, wie er den ›Metafilm‹ konzipiert hat, wird es ganz einfach. In diesem Film
geht es um einen Regisseur, der einen Film übers Filmemachen dreht. Der Film aber, den die Crew dreht, die der fiktive Regisseur
in Szene setzt, ist genau der Film, den wir sehen. Verstehst du? Film 3 gleich Film 1. Der Film im Film im Film ist selbst der Film, den wir sehen.«
Thea musste lachen. »Entschuldige, aber ich verstehe immer noch nicht, was das soll.«
Flo stand auf. »Wie gesagt, ganz habe ich es auch nochnicht durchdrungen, aber ich bin mir sicher, dass David mehr oder weniger in diesen Bahnen gedacht hat. Und wenn man es mal
ganz unvoreingenommen betrachtet, finde ich es auch durchaus überzeugend. Ist unsere Wirklichkeit nicht schon durch und durch
von den Filmen geprägt, die wir tagtäglich sehen? Worüber sprechen die Leute im Büro am nächsten Tag? Über das, was wirklich
passiert ist? Oder über den Film, den sie gesehen haben? Doch über den Film, weil er das Einzige ist, was alle gemeinsam erlebt
haben! So gesehen, scheint es mir gar nicht so unverständlich, wenn David meint, dass wir den Schein als die Wirklichkeit
durchschauen sollten!«
Er hielt inne und sah sie an. »Hast du dir die Sequenz des ›Metafilms‹ einmal angesehen, die David fertiggestellt hat, bevor
das Projekt abgebrochen wurde?«
Thea schüttelte den Kopf. »Er wollte nicht, dass ich mich damit beschäftige, nachdem er gemerkt hatte, dass ich so meine Schwierigkeiten
mit dem Projekt habe.«
Flo nickte, holte Filmbüchse und Lupe, die er neben dem Schrank mit den Gläsern liegen gelassen hatte, und legte sie auf den
Glastisch. »Man kann sich auch einfach die einzelnen Filmbilder anschauen. Es ist umwerfend.« Er öffnete die Büchse und holte
das Negativ daraus hervor.
Thea stellte sich neben ihn. »Kann man denn darauf etwas erkennen?«
Flo hielt den Filmstreifen gegen das Licht und reichte ihr das Vergrößerungsglas. »Es ist das Negativ. Aber die Grundidee
wird schon deutlich.«
Thea nahm die Lupe, beugte sich vor und begann die einzelnen Bilder zu betrachten, die Florian langsam vor ihr abrollte.
Es handelte sich um einen historischen Film. Mit großem Aufwand hatte David die zwanziger Jahre wieder aufleben lassen. Die
Männer trugen Hüte und Anzüge mit breiten Aufschlägen, ihre Haare waren angeklatscht, die Gesichter markant. Die Frauen wirkten
kleiner und gedrungener als heute, ganz so, wie man es von Fotografien aus jener Zeit kennt. Gleich die erste Szene spielte
in einem Filmstudio und rief Assoziationen an die große Zeit des deutschen Films wach: Babelsberg und Marlene Dietrich, »Metropolis«
und Fritz Lang, »Caligari« und Heinrich George. Vom ersten Kader an fiel ein Mann ins Auge, der an dem Set, an dem gerade
ein Film gedreht wurde, offenbar das Sagen hatte. Wie durch eine unsichtbare Magnetkraft gelenkt, gruppierten sich die anderen
immer wieder um ihn herum.
Thea lächelte und zeigte auf den Mann. »Das ist der Regisseur, oder? Ein Stummfilmregisseur! Ich erinnere mich, von so einer
Figur hatte David einmal gesprochen. Er stellte sich ihn so ähnlich wie Murnau vor.«
Flo nickte. Längst hatte er beim Anblick des Mannes an Friedrich Wilhelm Murnau denken müssen, jenen rätselhaften Regisseur
aus der Frühzeit des Kinos, dessen Filme David immer gefesselt hatten. Woher diese Assoziation kam, hätte Florian gar nicht
genau zu sagen gewusst. Vielleicht lag es einfach an der vernebelten, düster-gotischen Atmosphäre, die in der riesigen Filmhalle
zu herrschen schien und die unwillkürlich an die unheimlichen Filme Murnaus erinnerte.
Florian ließ den Filmstreifen weiter durch seine Hände laufen. Das Material ringelte sich auf dem Boden. Sie würden es später
wieder ordentlich aufrollen müssen.Jetzt aber wollte er Thea erst einmal zeigen, worum es in dem Film überhaupt ging. Das war nicht ganz einfach, da es sich
beim »Metafilm« selbst keineswegs um einen Stummfilm handelte, sie die Tonspur bei ihrer Betrachtungsweise jedoch nicht abhören
konnten.
»Wollen wir versuchen, das Negativ zu projizieren? Im kleinen Kino hinten
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