Davids letzter Film
wie am Schnürchen.«
Flo grinste. »Super.«
»Als die Amerikaner die erste fertig produzierte Sequenz sahen, waren sie begeistert und wollten unbedingt mehr«, erzählte
Thea weiter. »Doch dann begannen die Probleme.«
Flo ließ sich in den Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen und sah sie an. »Was ist passiert?«
Thea zuckte die Schultern und drehte sich zu ihm um. Ȇber die Details hat David mich nicht auf dem Laufenden gehalten. Er
nahm mir wohl übel, dass ich mit dem Projekt ohnehin nicht so viel anfangen konnte. Fest steht, dass er während des Drehs
immer nervöser wurde. Und nach sechs Wochen wurde die Produktion von einem Tag auf den anderen abgebrochen. Von da an war
klar: Das Projekt war gescheitert. Die Amerikaner verboten es ihm sogar, die Entwürfe in anderen Arbeiten erneut zu verwenden.«
Sie lächelte. »Daraus versuchte David später dann noch Funken zu schlagen. Es war seine Idee, bei der Werbung für ›Tabu‹ den
›Meta film ‹ als verbotene Hollywood-Produktion hochzujubeln.«
Flo nickte. Das hatte er in der Zeitschrift gesehen.
»Der ›Metafilm‹ wurde jedenfalls nie fertiggestellt«, fuhr Thea fort. »Ich hatte das Gefühl, am Ende vielleicht gar nicht
so falsch mit meiner Ahnung gelegen zu haben, David könnte sich verrannt haben. Andererseits … warum haben die vom Studio überhaupt erst angebissen? Irgendetwas muss an dem Projekt dran gewesen sein. Aber was?« Sie
sah Florian skeptisch an. »Das kann ich dir nicht sagen.«
Flo drehte sich mit seinem Stuhl zu dem Regal um, das hinter dem Schreibtisch stand. Mit verschiedenfarbigen Schildchen hatte
David jedes Fach einzeln beschriftet. Vorsichtig strich er über die Notizhefte, Ausdrucke, Skizzen und Vermerke, die sich
in den Fächern stapelten.
»Am liebsten würde ich mir die Sachen hier mal inRuhe ansehen«, meinte er. »Oder hättest du was dagegen?« Er warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Nein … nein, ist schon in Ordnung.« Thea zog unmerklich die Schultern hoch. »David hätte zwar nie jemanden an seine Unterlagen
gelassen«, ihre Augen zuckten, »aber wer weiß, was überhaupt mit ihm ist.«
26
Nachdem Thea die steile Wendeltreppe, die zum Turmzimmer heraufführte, wieder hinuntergegangen war, machte sich Florian unverzüglich
an die Arbeit. Zunächst sah es so aus, als würde er ewig brauchen, um das augenscheinliche Chaos, das in dem Arbeitszimmer
herrschte, auch nur annähernd zu durchdringen. Bald jedoch zeigte sich, dass David seine Notizen sehr viel besser geordnet
hatte, als es zuerst den Anschein gehabt hatte. Und damit hatte Flo insgeheim auch gerechnet.
Bald wurde ihm klar, was David für seinen »Meta film « vorgeschwebt haben musste: ein Film über das Filmemachen. Daher auch der Titel. Und David war noch einen Schritt weitergegangen.
Offensichtlich ging es in seinem Film nicht nur um einen Regisseur, der einen Film machte, sondern um einen Regisseur, der
einen Film
übers Filmemachen
drehte. So entschlüsselte sich auch die Skizze auf der Papierserviette, die auf seinem Schreibtisch stand! Wenn man den Film,
den David plante, als Film 1 bezeichnete, den Film, den sein fiktiver Regisseur drehte, als Film 2, und denjenigen Film als
Film 3, der von der Crew gedreht wurde, die dieser fiktive Regisseur in Szene setzte, so machte die Nummerierung auf der Skizze
Sinn. Und dann wurdeauch klar, was »F3=F1« bedeutete, die Gleichung, die David über der Skizze auf der Serviette notiert hatte: Film 3 – also
der Film, den die Crew drehte, die der fiktive Regisseur in Szene setzte – dieser sozusagen innerste Film war genau der, den
David plante. Davids »Metafilm« war also
zugleich
der Film 3 der Crew, die der fiktive Regisseur inszenierte,
und
der Film 1, in dem sich die anderen Filme abspielten. Kurz: »F3=F1«.
Eine bloße Spielerei? Nachdenklich lehnte sich Flo in den Schreibtischstuhl zurück.
Eine Zeit lang hing er verschiedenen Gedankensplittern nach, die eher konfus als geordnet durch seinen Kopf zogen. Ziellos
wanderten seine Augen durch das Arbeitszimmer. Bis sie an einer flachen Metallbox hängen blieben, die unter einem Regal hervorlugte
und an deren Schmalseite jemand ein Stückchen gelbes Klebeband angebracht hatte. Auf dem Klebeband war eine Gleichung notiert.
»F3=F1«.
Schlagartig war Florian hellwach. Er stand auf, ging zu dem Regal und zog die Box darunter hervor. Es war eine kreisrunde
Filmbüchse. Vorsichtig öffnete er
Weitere Kostenlose Bücher