Davids letzter Film
»Aber diese Grundidee zu begreifen reicht nicht aus. Man muss auch die Konsequenz aus dieser
Erkenntnis ziehen.« Verschmitzt blinzelte er Flo an. »Und die Konsequenz ist, dass man einem Umstand, der in letzter Zeit
fast schon in Vergessenheit geraten ist, wieder mehr Beachtung schenkt. Und zwar dem Umstand, dass das, worauf es ankommt,
auch
änderbar
ist.
Das
ist der Kern! Und wie ist es änderbar? Indem
wir
es ändern! Du. Ich.« Er tippte sich an die Stirn. »Und zwar, indem wir in den Köpfen der Menschen ansetzen. Genau da, bei
den Meinungen und Überzeugungen, verstehst du? Und wie beeinflussen wir das, was in den Köpfen ist? Durch Zeichen. Durch Worte.
Oder eben durch Filme! Wir müssen die richtigen Filme machen, das ändert die Überzeugungen der Menschen! Und diese Menschen
ändern dann die Welt. Kein Wunder, dass das verboten ist, oder?« Er lachte. Man hörte, dass es von Herzen kam.
Flo musste grinsen. »Du willst mit deinen Filmen die Welt verändern?« Wie oft hatte er schon zugehört, wennDavid versuchte, einen Gedanken zu entwickeln. Es hatte ihm immer Spaß gemacht, und meistens hatte er sich von Davids Feuer
anstecken lassen. Immer wieder hatten Freunde oder Bekannte, die mit halbem Ohr zugehört hatten, danach gemeint, dass David
doch kompletten Unsinn geredet habe. Und Flo hätte auch nicht wiedergeben können, was David ihm noch kurz vorher erklärt hatte.
Doch wenn David auf ihn einredete, schien ihm das, was er sagte, immer einen Sinn zu ergeben. Manchmal einen verborgeneren,
manchmal einen klareren, aber immer einen Sinn, der in Florian den Wunsch weckte, mehr darüber zu erfahren.
»Na klar!«, antwortete David. »Oder glaubst du, sie wird immer so bleiben, wie sie jetzt ist? Was machen denn die Islamisten
heutzutage? Die ändern auch die Welt, und zwar nur, indem sie ein paar Vorstellungen und Meinungen gezielt ins Zentrum der
Aufmerksamkeit ihrer Anhänger rücken. Das ist nur eine Verschiebung im Bewusstsein, mein Lieber, aber sie greift inzwischen
ganz schön real auf die Welt aus!«
Davids Augen blitzten voller Freude über die Möglichkeiten, die er vor sich zu sehen schien. »Willst du das Feld den anderen
überlassen, Flo? Das Feld der Werte und der Überzeugungen, was richtig ist und was falsch? Diese Auffassungen in den Köpfen
der Menschen – das ist doch nichts anderes als ein großes, bewegliches Netz von Gedanken und Meinungen. Ein Netz, das auf
jeden Einfluss von außen hochgradig sensibel reagiert! Lass uns darauf einwirken! Und zwar so, dass es dadurch seine Form
verändert. So, dass sich die Gedanken und Meinungen der Menschen verändern. Oder lass uns das zumindest versuchen!«
Flo war sich nicht sicher, ob er verstand, was David meinte. Er starrte wieder auf die Theke.
David sah ihn von der Seite an. »Was ich meine, ist sicher nichts Neues. Es geht einfach um die Hirne der Leute, verstehst
du. So und so sind die Zellen in den Köpfen verschaltet, daraus ergeben sich die und die Überzeugungen. Wenn man die ändern
will, muss man die Verschaltung in den Köpfen verändern. Und zwar nicht, indem man die Schädel aufmeißelt. Sondern indem man
die richtigen Zeichen über Augen und Ohren hineinschmuggelt!«
Flo spielte mit seinem Glas. »Und welche Überzeugungen willst du ändern, David?«
David lachte. »Es ist spät, Flo. Aber im Ernst, das ist, woran ich arbeite. Und ich würde mich freuen, wenn ich dich dabeihätte.«
Er strahlte. »Wir wollten mal die Welt aus den Angeln heben, Flo. Schon vergessen? Irgendwann ist der Augenblick dafür vorbei.«
31
Am nächsten Morgen stand Florian frühzeitig auf. Er hatte keine Lust, sich von Riemschneider sagen zu lassen, dass er spät
dran wäre.
Sie hatten in der Nacht noch ein paar Kurze an der Bar getrunken, bevor David sich erhoben hatte. Florian hatte noch hundert
Fragen gehabt, aber David war ihm ausgewichen. Flo solle sich überlegen, ob er mitmachen wolle. Er könne ihn jederzeit über
die Galerie Tegtmeyer kontaktieren. Und von Riemschneider solle er sich bloß nicht einwickeln lassen. Dann war er gegangen.
Auf seinem Zimmer hatte Florian trotz der zahlreichen Schnäpse erst nicht einschlafen können. Alles das, was David ihm nicht
beantwortet hatte, ging ihm im Kopf herum. War es Zufall, dass Hannes überfahren worden war, ausgerechnet Hannes, dem man
die Angst doch buchstäblich angesehen hatte? Wieso ermittelte Riemschneider gegen David, wenn der sich
Weitere Kostenlose Bücher