Davids letzter Film
sagen, dass er seine Maske abgeben soll. Dann könnte ein anderer weiterschaufeln«, erläuterte Riemschneider.
Aber der erschöpfte Mann dachte nicht daran, seine Maske einfach so herzugeben. Plötzlich wurde er von zwei anderen Kumpeln
gepackt, ein dritter begann, ihm die Maske vom Kopf zu ziehen. Sein angstverzerrtes Gesicht kam darunter zum Vorschein. Schon
hatten sie die Maske herunter und sie denjenigen zugeworfen, die ohne Maske am Tunnelrand lagen. Einer der Männer fing sie
auf, stülpte sie über und machte sich unverzüglich daran, neben den anderen das Geröll zur Seite zu schaufeln – während sich
derjenige, dem sie die Maske abgenommen hatten, zum Tunnelrand schleppte und dort auf den Boden fallen ließ. In diesem Augenblick
blieb das Bild stehen.
»Der Grubenleitung ist es am Ende tatsächlich gelungen, die eingeschlossenen Kumpel zu befreien«, sagte Riemschneider und
tippte mit seinem Kugelschreiber erneut auf den kleinen Bildschirm. »Und zwar in letzter Minute. Hätten die Männer nicht selbst
mitgeholfen, das Geröll beiseitezuschippen, wäre für einige von ihnen jede Hilfe zu spät gekommen. Wie für die ohne Maske.«
Florian starrte auf das eingefrorene Bild. Die einzelnen Pixel flimmerten vor seinen Augen. Und er spürte, wie er sauer wurde.
Sauer, weil ihn dieser Clip wütend machte. Sauer, weil David so etwas verbreitete. Sauer, weil Riemschneider ihn nötigte,
sich das anzusehen. Und sauer, weil er nicht verstand, was hier gespielt wurde.
Riemschneider nahm ihm das Gerät aus der Hand. »Was soll das? Warum bringt Mosbach so einen Clip unter die Leute?«
»Das wollen Sie jetzt von mir wissen?« Flo fixierte den Mann mit dem grauen Stoppelhaarschnitt. Warum ließ er ihn nicht endlich
in Frieden?
»Ja, verdammt noch mal.« Auch Riemschneider schien langsam die Nase voll zu haben. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen noch mehr
solche Clips vorspielen. Den ›Cop- Clip ‹ zum Beispiel, da wird ein Dealer von der uruguayischen Polizei so lange verprügelt, bis er sagt, wo er seine Ware versteckt
hat. Oder den ›Doc-Clip‹, da geht’s um eine Operation in einem Krankenhaus.«
Flo stand auf. Er nahm sich zusammen. »Das hat keinen Sinn. Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
Diesmal würde er sich nicht aufhalten lassen. Entschlossen schritt er zur Tür. Sollte Riemschneider ihn doch festnehmen. Er
hatte nichts getan. Als er sie aufstieß,liefen gerade zwei Schutzpolizistinnen im Gang daran vorbei und sahen erstaunt zu ihm herüber.
Im selben Moment hörte er Riemschneiders Stimme hinter sich. »Ich kann Sie nicht aufhalten, Baumgartner. Aber ich will, dass
Sie eines wissen: Mosbach hat keine Skrupel, bei gar nichts. Es ist ihm scheißegal. Und wissen Sie, wieso?«
Florian trat auf den Korridor hinaus, blickte sich aber noch einmal zu Riemschneider um.
Der Beamte saß an seinem Schreibtisch und sah ihn an. »Weil er glaubt, dass er das Recht hat, andere Menschen zu quälen.«
Florian schluckte. Hatte er wirklich »quälen« gesagt? Aber er hatte endgültig genug. So hart er konnte, warf Flo die Tür hinter
sich zu.
Dumpf hallte der Knall durch den Flur der Behörde.
32
Konnte das sein? Sollte David wirklich etwas mit dem Tod von Hannes zu tun haben? Ziellos irrte Flo durch die Straßen. Jetzt
war sie wieder da, die Panik, die ihn nach Hannes’ Tod gepackt hatte. Er hatte das Gefühl, nicht zu wissen, wohin er seine
Schritte lenken sollte. Was war mit dem Artikel? Sollte er ihn noch schreiben? David hatte Hölzemann dazu gebracht, ihm den
Auftrag dafür zu geben? Hatte sich das also erledigt? Oder nicht? Sollte er so tun, als wüsste er von nichts, und den Artikel
trotzdem schreiben? Allein schon wegen des Geldes? Aber das kam eigentlich nicht infrage.
Er lief weiter. Ziellos. Kopflos. Hilflos. Es hörte nicht auf zu schneien, und Florian war wie aus dem Wasser gezogen. Der
Schweiß lief ihm den Rücken hinunter, das Hemd klebte zwischen den Schulterblättern, sein Mantel war durch den Schnee klatschnass.
Sosehr er auch versuchte, sich gegen den Gedanken zu wehren, er wurde ihn doch nicht los: Es war Unsinn, zu glauben, dass
Riemschneider David ohne Grund in irgendeine Schweinerei verstricken wollte. Möglicherweise wussten die Beamten nicht genau,
was abgelaufen war, und spekulierten wild drauflos. Mit Sicherheit jedoch war David in etwas verwickelt, das weit über das
hinausging,was er jemals mit Florian besprochen hatte. Sonst
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