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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Greifen nahe war, übermannte ihn plötzlich die Unsicherheit.
    David grinste. »Was ist? Bist du nicht neugierig? Ichwill dir nur einen Film zeigen. Und ich kann dir versprechen: So was hast du noch nicht gesehen! Keine Special Effects oder
     so, nein, eine ganz einfache Geschichte, aber eine, die es in sich hat.«
    Flo sah ihn an. »Die Filme, die du gemacht hast. Riemschneider hat die auch erwähnt. Was sind das für Filme? Warum sind die
     verboten? Sind sie einfach nur zu brutal?«
    David schnaufte. »Ja, zu brutal. Vielleicht sadistisch, kommt drauf an, wie dünnhäutig man ist. Lass mich mit dem Dreckszeug
     in Ruh, das hab ich nur für ein paar Spezialkunden gemacht.«
    »Wie Tegtmeyer.«
    »Wie Tegtmeyer, ja. Das kann ich dir sagen: Was dem gefällt, willst du gar nicht wissen.«
    Flo schluckte. Nein, vielleicht besser nicht. »Riem schneider sagte, dass du   … Menschen quälst   … verstehst du, Mann?«
    Davids Augen richteten sich voller Mitleid auf ihn. »Im Film, Flo. Lass dich doch nicht verrückt machen. Die wollen dich da
     in was reinziehen.«
    »Deshalb sind die Filme verboten.«
    »Das kann ich sogar verstehen!«, erwiderte David. »Muss ja nicht jedem gefallen.«
    Es sind nur Filme, dachte Flo.
    »Komm schon.« David schlug ihm leicht mit dem Handrücken gegen die Brust und sah ihn aufmunternd an. »Lass uns gehen, ich
     will dir was zeigen.«
    Florian nickte. »Na klar.«
    David lachte. »Also los!«

33
    Ein Taxi brachte sie zum Filmstudio Babelsberg. An dem großen steinernen Hauptportal, an dem trotz später Stunde ein reges
     Kommen und Gehen herrschte, ließ David den Fahrer jedoch vorbeifahren.
    »Lass uns einen anderen Eingang nehmen«, meinte er. »Es müssen uns ja nicht alle sehen.«
    Florian hatte immer davon geträumt, in dem Studio einmal zu arbeiten. Tatsächlich hatte er das Gelände jedoch noch nie betreten.
     Er erinnerte sich daran, wie er mit David kurz nach dem Mauerfall einmal hierhergefahren war. Die Gebäude, die jetzt die Straße
     säumten, standen damals noch nicht, ebensowenig das großspurige Portal, das seit den frühen Neunzigern den Eingang des Studios
     markierte. Nur ein halbverrottetes Tor in einem Metallzaun, das aussah wie das Gatter zu einem Bauernhof, hatte es zur Wendezeit
     gegeben. Und doch konnten sie damals schon von der Straße aus die Marlene-Dietrich-Halle erkennen, die sich auch jetzt wieder
     groß im Hintergrund auftürmte. Ein bisschen enttäuscht waren sie dennoch gewesen. Das also sollte das legendäre Filmstudio
     sein, in dem die »Nibelungen« und der »Blaue Engel« entstanden waren? Sie hatten es sich irgendwie grandioser vorgestellt,
     gehofft, so etwas wie ein versunkenesHollywood zu entdecken, das bald aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden würde. Stattdessen aber hatte alles nach DD R-Muff und Abbruch ausgesehen. Das hatte sich nun grundlegend geändert. Längst hatte das Filmstudio wieder begonnen zu leben, das
     war offensichtlich. Babelsberg war wieder Traumfabrik.
    Als sie die südliche Spitze des weitläufigen Geländes erreichten, bat David den Fahrer zu halten. Er zahlte, und sie stiegen
     aus. David ging auf eine unscheinbare, halb verrostete Pforte zu, die hier – überwuchert von Gestrüpp und Dornen – in die
     Umzäunung des Studiogeländes eingelassen war. Er drückte die Klinke des Türchens hinunter, und sie gab mit leisem Knirschen
     nach. Hinter der Pforte führte ein enger Trampelpfad durch mannshohes Unkraut und Sträucher.
    Schweigend marschierten sie im Gänsemarsch durch das Dickicht, bis es sich nach knapp fünfzig Metern zu lichten begann. Eine
     gepflegte Studiostraße tat sich auf, die in einem weniger belebten Bereich des Geländes lag und auf der um diese Zeit nur
     ein paar müde Beleuchter herumlungerten, die darauf warteten, in der nächsten Drehpause die Scheinwerfer umstellen zu müssen.
     Niemand beachtete sie.
    Zügig schritten sie zwischen den hohen, fensterlosen Filmhallen hindurch, bis David auf ein hübsches, symmetrisches Art-Déco-Häuschen
     zeigte, das halb versteckt hinter den schmuckloseren Produktionshallen neueren Baujahrs lag.
    »Das Tonkreuz«, sagte er. »Da hat schon Fritz Lang drin gearbeitet!«
    Er zückte einen Schlüssel und steuerte eine schmaleMetalltür in der Seitenwand des Tonkreuzes an. »Es ist albern, ich weiß, aber ich muss mich hier reinschleichen wie ein Dieb.«
    Durch die Metalltür gelangten sie in einen weiß gekalkten Gang, von dem auf beiden Seiten in

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