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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Wolke über ihm hing.
    Es war Davina Grahams Personalakte. Er las sie aufmerksam durch und runzelte gelegentlich die Stirn. Die Unterlagen erweckten sie nicht zum Leben. Es war eine Sammlung von Fakten, die sie als alte Jungfer zeigten, die sich wegen einer Enttäuschung vor mehreren Jahren nicht mehr für Männer interessierte – eine geschlechtslose Frau mit dem Verstand eines Mannes. Ausdrücke wie zuverlässig und pedantisch kamen in der Schilderung ihres ersten Dienstjahres regelmäßig vor. Dann wurde sie einfallsreich, pflichtbewusst und schließlich ›eine sehr talentierte Agentin auf heimischem Boden‹. Diese Beurteilung stammte vom letzten Jahr, bevor sie mit seiner Betreuung beauftragt wurde. »Höchst unwahrscheinlich, daß sie sich mit der Zielperson einlässt.« Als er das las, mußte Sasonow lächeln. Dann begannen die Untersuchungen nach dem Brand von Halldale. Ihre Freundschaft mit Peter Harrington wurde analysiert: Datum, Ort und Dauer ihrer wenigen Zusammenkünfte waren festgehalten worden. Ihre eigenen Aussagen waren überprüft. Harringtons Name war in seiner eigenen Akte von seinem Decknamen begleitet. Auch der stand darin. Dann war da ihre Aussage über den kurzen Aufenthalt in dem Motel, der ihnen beiden das Leben gerettet hatte. Die Auswertung ergab, daß sie nicht angegeben hatte, das Zimmer zum Beischlaf gemietet zu haben. Ihre wöchentlichen Berichte an den Brigadier waren nicht in die Akten mit aufgenommen worden. Sasonow verstand, daß man ihn ungern über sich selbst lesen lassen wollte. Sogar sein Gespräch im Garrick-Club war ausgelassen worden. Seit dem Brandanschlag auf Halldale war Davina von ihren eigenen Leuten überwacht worden. Jedes Telefongespräch hatte man aufgezeichnet; man hatte Mikrofone in die kleine Wohnung eingebaut. Die Tonbänder lagen zwar nicht dabei, aber man bezog sich darauf, wenn ihr Verhältnis mit ihm und ihr Schweigen darüber erörtert wurden. Der Verdacht hatte sich in einer gewissen Phase auf sie konzentriert. Die Untersuchung bezog auch ihre Universitätsvergangenheit mit ein. Sogar der treulose Verlobte war wegen eventueller prosowjetischer Neigungen unter die Lupe genommen worden.
    Sasonow redete bei der Lektüre leise vor sich hin. Was für eine Zeitverschwendung. Ziel der Ermittlungen war lediglich eine liebende Frau. Zu seinem Erstaunen hatte man die letzten Gespräche mit Grant und dem Brigadier mit aufgenommen. Er wußte nicht, daß man die offizielle Vereinbarung und alle Bezugnahmen darauf weggelassen hatte. Er las ihre tapfere Verteidigung seiner Interessen und ihre Vorwürfe gegenüber dem Brigadier, als dieser seine Zusage, Sasonow gehen zu lassen, zurücknahm. Er hielt inne und glaubte, sie leibhaftig vor sich zu sehen. Er wußte genau, wie sie bei dieser Gelegenheit ausgesehen haben mußte. Und er konnte sich den Ton ihrer Stimme vorstellen. Sie war mutig und entschlossen. Das wußte er. Anschließend folgten Einzelheiten über ihren Auftrag in der Sowjetunion. Sein Stirnrunzeln versteifte sich. Einmal rief er laut etwas aus. Er klappte die Akte zu und ließ sie auf den Boden fallen. Sein Gesichtsausdruck war grimmig.
    Dann nahm er sich die umfangreiche Personalakte von Peter Harrington vor, sie reichte fast zwanzig Jahre zurück. Er mußte ein Dutzend solcher Dossiers durchlesen. Die Personalakten jedes einzelnen Angehörigen des Wachpersonals von Halldale, die Berichte über das eigentliche Feuer, die Untersuchungsergebnisse der Polizei von Sussex über den verunglückten Fahrer des Lieferwagens, über die Schwester, die von einem liebevollen Enkelsohn gesprochen hatte, der sie mehrfach ausgeführt, seine Besuche aber dann etwa zur Zeit der Feuersbrunst eingestellt hatte. Es würde Tage in Anspruch nehmen, das gesammelte Beweismaterial zu sichten und auf der Suche nach einem Anhaltspunkt zu fundierten Rückschlüssen zu kommen … es ging darum, den Sowjetagenten zu finden, der entdeckt hatte, daß er in dem Sanatorium untergebracht war. Sasonow zündete sich eine Zigarette an. Der Brand war eine für die KGB-Zentrale typische Operation. Der Mann, der den Fahrer des Lieferwagens auf dem Weg nach Halldale Manor überfallen hatte, war auf einem Motorrad gefahren. Das hatte der verletzte Fahrer der Polizei noch vor seinem Tod sagen können. Spuren waren neben der Straße gefunden worden, und Eindrücke im Graben wiesen darauf hin, daß das Motorrad dort versteckt worden war. Reifenspuren zeigten deutlich Richtung London und verloren

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