Davina
sich dann auf der Hauptstraße. Von dem Mörder gab es keine Spur. Soweit die Polizei informiert war, bestanden keine Querverbindungen zur Unterwelt; die Art der Brandbombe schloß gewöhnliche Kriminelle als Urheber aus. Nur die Zentrale des KGB hatte Zugang zu derartigen Einsatzmitteln. Also hielten die Leute des Brigadiers Ausschau nach einem bestimmten Mann – und die Spezialeinheit von Scotland Yard suchte einen anderen. Sasonow schlug Peter Arthur Harringtons Personalakte auf und begann, den Inhalt sorgfältig zu lesen.
Im Stockwerk unter ihm hatten Kidson und Grant eine sehr vertrauliche Besprechung. Sie hatten gerade mit dem Brigadier telefoniert. Beide machten einen unzufriedenen Eindruck.
»Warum konnten die Amerikaner nicht warten?« fragte Kidson. »Was hat es für einen Sinn, hier mitten in unserer Untersuchung aufzutauchen? Das könnte ihn leicht hellhörig machen. Ist den Amerikanern das klar?«
»Das ist ihnen gleichgültig«, sagte Grant. »Wir haben ihnen mitgeteilt, daß hochgradige Informationen zu erwarten sind, und sie geben sich bestimmt nicht mit dem Material zufrieden, das sie von uns bekommen. Sie bestehen darauf, es von der Quelle selbst zu hören.«
»Es war also nicht möglich, die ganze Sache diskret zu behandeln«, brummte Kidson.
»Nicht, nachdem der Chef mit der Premierministerin gesprochen hatte«, sagte Grant. »Sie bestand darauf, die Amerikaner zu unterrichten, und die wollen jetzt natürlich, daß einer ihrer Mitarbeiter bei den Befragungen dabei ist. Geschieht uns ganz recht, wenn wir schon eine Frau zur Premierministerin machen. Frauen besitzen kein Urteilsvermögen.«
Er warf missbilligend seine schmalen Lippen auf. Kidson lächelte in sich hinein. Armer, alter Robespierre. Wenn es nach ihm ginge, wäre die Welt nur von Männern bevölkert.
»Ich finde, wir sollten ihn vorwarnen«, sagte er, und zeigte nach oben, wo Sasonow saß. »Ich werde ihm morgen einen Hinweis geben. Ich bin gespannt, ob er etwas finden wird, das uns entgangen ist. Er ist förmlich versessen darauf – hat sogar das Abendessen ausgeschlagen, weil er sich ausdauernd mit unseren Akten beschäftigen wollte.«
»Dadurch erhält er die Gelegenheit, den Verdacht auf einen unserer eigenen Mitarbeiter zu lenken«, brummte Grant. »Mir kommen allmählich Zweifel an seiner Person, Kidson. Er läßt die sowjetische Außenpolitik für die nächsten zehn Jahre hochgehen, aber das ist ihm noch nicht genug. Er will gleichzeitig auch noch einen führenden Sowjetagenten entlarven. Und ich nehme ihm auch das Gerede über seine Frau nicht ab. Wenn man sie zum Polarkreis verschickt hat, dann ist sie tot, lange bevor wir ein Austauschabkommen mit den Sowjets abschließen könnten. Das weiß er ebensogut wie wir. Aber der Brigadier geht auf ihn ein. Er wollte mich sogar überzeugen, daß er Sasonows Beweggründe für echt und ehrlich hält.«
»Auch ich komme allmählich zu dieser Auffassung«, antwortete Kidson. »Ich habe von Anfang an gesagt, daß er sich in einem Zustand innerer Hochspannung befindet. Er hat sich bis jetzt über alle Spielregeln hinweggesetzt. Er ist keineswegs so hartherzig, wie man erwarten könnte aufgrund seiner bisherigen Laufbahn. Wir wissen von dem Regimegegner, daß er tatsächlich versucht hat, Belezky zu helfen. Außerdem wissen wir, daß er ein sehr liebevoller Ehemann und Vater ist. Und er macht sich größere Sorgen um Davina Graham, als Sie vermuten. Sie scheint ihn sehr beeindruckt zu haben. Wir wissen, sie hat sich gehen lassen, obwohl dies nicht ihrer Art entspricht.«
»Sie ist eine berufstätige Frau, die sich frustriert fühlt«, erklärte Grant. »Sasonow brauchte nichts weiter zu tun, als seine Hosen herunterzulassen, und schon glaubte sie an Liebe. Wenn ich damals in der Zentrale gewesen wäre, hätte ich dem Chef niemals geraten, ihm eine Frau an die Seite zu geben.«
»Dann hätte er sich vielleicht nie bereit erklärt auszusagen«, warf Kidson ein. »Und darauf kommt es schließlich an. Er hat uns alles gegeben. Viel mehr, als wir erwartet hatten, und doppelt so schnell, wie wir es gewohnt sind. Vielleicht weiß er, daß es ohnehin zu spät ist, seine Frau zu retten, aber er will es wenigstens versuchen, er braucht die Hoffnung. Und er macht sich allergrößte Sorgen um Davina Graham. Ich finde seinen Versuch, den Doppelagenten für uns aufzuspüren, nicht so verdächtig wie Sie.«
Grant stand auf. »Es ist Zeit, zum Abendessen zu gehen«, sagte er. »Bin gespannt,
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