Davina
wen er beschuldigen wird.«
Kidson hielt ihm die Tür offen, und sie gingen auf den Gang hinaus in Richtung auf das kleine Esszimmer.
Weiß der Himmel, warum, dachte er. Lautes Gelächter war aus dem großen Speisesaal zu hören, wo die in Spezialausbildung befindlichen Offiziere zu essen pflegten. Aber irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl.
Spencer-Barr suchte die Buchhandlung nun regelmäßig auf, und die mürrische Angestellte war etwas freundlicher geworden. Er kaufte zahlreiche Bücher und wanderte jedes Mal längere Zeit zwischen den Bücherregalen umher. Er baute sich eine Routine auf. Er kannte die Bedeutung des Busfahrscheins und kaufte den Gedichtband. Am Nachmittag des nächsten Tages war er um drei Uhr wieder am Verkaufstisch und fragte, ob er das Buch gegen ein anderes umtauschen könne. Die Angestellte gab ihm einen Gutschein, worauf er sich zu den Regalen im hinteren Teil der Buchhandlung begab. Poliakow erschien fünf Minuten später. Sie stellten sich in eine Ecke, von der aus sie jeden sehen konnten, der sich näherte. Spencer-Barr hörte zu, als der Dozent ihm auseinandersetzte, was mit Irina geschehen war.
»Wir befinden uns in allerhöchster Gefahr«, schloß er. »Wolkow benutzt die Mutter als Köder, um den Vater zur Rückkehr zu bewegen. Die Tochter meint, er wisse, daß sie Verbindung haben. Er kenne aber die Einzelheiten nicht. Das ergibt für mich keinen Sinn.«
»Aber für mich, wenn auch auf eine höchst bedenkliche Art und Weise«, sagte Spencer-Barr. »Wenn er die Informationen von seinen eigenen Leuten erhalten hat, sind Sie natürlich entlarvt, denn Sie sind das Bindeglied zwischen Tochter und Vater. Wenn er aber von Ihrer Rolle nichts weiß, dann deshalb, weil er die Information aus dem Westen erhalten hat und sein dortiger Informant über die Details nicht Bescheid weiß.«
»Oh, mein Gott«, stöhnte Poliakow. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr – jemand im Westen sollte dem KGB Nachrichten über uns liefern? Gibt es denn so etwas?«
»Es sieht leider so aus«, sagte der Engländer. »Es sei denn, er will zunächst einmal den Vater zur Rückkehr veranlassen und erst dann Sie und Ihre Freunde hochgehen lassen.« Er sah den Russen erbleichen, nahm aber keine Notiz davon, sondern fuhr fort: »So dürfte es wahrscheinlich sein! Hauptpunkt ist: Er weiß, die Tochter kann ihrem Vater eine Nachricht zukommen lassen. Das wird unsere Planung erschweren, weil er das Verhältnis mit der Tochter fortsetzen wird, bis er sie in Aktion treten lassen will. Und Sie sind ganz sicher, daß sie nicht für ihn arbeitet und gleichzeitig das Spiel mit Ihnen weitertreibt?«
Poliakow sagte: »Ich bin ganz sicher. Sie verrät uns nicht.« Er räusperte sich und machte ein betretenes Gesicht.
»Ich glaube, Sie liebt mich«, sagte er.
»Dann gehen Sie besser darauf ein«, meinte Jeremy. »Schlafen Sie mit ihr, wenn es sich machen läßt. In der Zwischenzeit melde ich dies nach London. Ich glaube, wir müssen unsere Aktion beschleunigen und die Tochter vorzeitig herausholen. Ich bekomme bestimmt eine Antwort in den nächsten zwei Tagen.« Er zog ein Lehrbuch über landwirtschaftliche Kollektive heraus. »Dies ist der tote Briefkasten. Hier hinterlasse ich eine Nachricht, sobald ich von London gehört habe.« Er schob das Buch ins Regal zurück. »Für dieses Zeug dürfte sich kaum jemand interessieren«, sagte er. »Wenn man bedenkt, daß ihr euer Getreide aus dem kapitalistischen Westen kaufen müßt. Treff ist dann am nächsten Tag – auf der Naturwissenschaftlichen Ausstellung. Selbe Uhrzeit wie heute. Ich gehe zuerst.«
Er entfernte sich, und Poliakow blieb noch ein paar Minuten, bevor auch er die Buchhandlung verließ. Der junge Mann war immer noch bleich. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er wischte sich das Gesicht ab und versuchte, seine Nerven zu beruhigen. Er hasste den arroganten Ausländer, der hinter seiner diplomatischen Immunität in Sicherheit war und der sich so unverhohlen verächtlich zeigte, weil er, Poliakow, Angst hatte. Und er hasste ihn, weil er sich so geringschätzig über Irina Sasonowa geäußert hatte. »Schlafen Sie mit ihr, wenn es geht.« Er verfluchte Spencer-Barr im stillen. Dann nahm er sich zusammen, wischte sein feuchtes Gesicht noch einmal ab und trat wieder in den Verkaufsraum hinaus. In der Buchhandlung befanden sich mehrere Leute. Zwei sprachen mit der Angestellten, die nicht aufschaute und ihn auch nicht sah. Plötzlich stand ein Mann vor
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