Davina
seinerseits Erkundigungen bei White einholte. Jetzt, wo sich das Foreign Office wegen der Sowjets einschaltete, war White der Ansicht, daß gehandelt werden mußte. Unglücklicherweise konnte er jedoch nichts ohne Genehmigung des Innenministers tun.
Er fuhr mit einem Beamten der Spezialeinheit als Chauffeur in seinem blauen Fiat durch Whitehall. Er benutzte tagsüber verschiedene Wagen und nahm auf der Fahrt ins Büro oder nach Hause nie denselben Weg. Er stand auf der Liste der Terroristen ganz oben. Er traf zwar Vorsichtsmaßnahmen, aber er ließ sich nicht einschüchtern. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie vor etwas Angst gehabt und verstand alle diejenigen nicht, die sich fürchteten. Er betrat mit schnellen Schritten das Innenministerium und fuhr im Lift in den ersten Stock, wo das Arbeitszimmer des Innenministers lag. Er wurde in das Zimmer geführt, das jedoch leer war. Er trat ans Fenster und blickte hinaus auf die Horse-Guards-Parade, die vor der Eleganz des alten Palastes von Whitehall stattfand. Als aktiver Offizier hatte James White mit seinem Regiment an der offiziellen Parade zur Feier des Geburtstages der Königin teilgenommen. Diese Veranstaltung mit ihrer Farbenpracht und mit ihrer großartigen Präzision erregte und faszinierte ihn. Jetzt war alles noch aufregender, weil der Monarch eine Königin war. Er war ein Mann, der Traditionen, so wie sie in seinem Regiment, bei den Goldstream Guards, gepflegt wurden, über alles schätzte. Dieses Regiment galt als eines der ältesten und war von General Monck aufgestellt worden, der viel dazu beigetragen hatte, daß Karl II. den Thron seines ermordeten Vaters besteigen konnte. James White war ein begeisterter Soldat gewesen. Er war nur deshalb früh in den Ruhestand getreten, weil seine Fähigkeiten im Geheimdienst benötigt wurden, der damals unter Mangel an Mitteln litt und durch den Skandal um Philbys Verrat erschüttert worden war. Das herrschende politische Klima, in dem Spione und der Geheimdienst als überholt und ziemlich unmoralisch galten, wirkte zusätzlich demoralisierend. White hatte das Image verändert. Er versuchte nicht, den Politikern nach dem Mund zu reden, aber er pflegte die Beziehungen zum Finanzminister. Das Foreign Office hatte sich nach Burgess und Maclean auch bei höchst harmlosen Untersuchungen als überempfindlich erwiesen. Er war außerhalb seines Dienstes mit Takt und nach innen mit ausgesprochener Rücksichtslosigkeit vorgegangen. Er wußte, wie man durch Höflichkeit und konsequente Haltung das Beste aus Menschen herausholen konnte, und er ging unbarmherzig vor, wenn diese versagten. White kannte Davina Grahams Vater, weil sie demselben Klub angehörten, und ihre Familien waren sich einmal durch die Heirat von Vettern und Cousinen näher gekommen. Er hatte Davina zu seiner Sekretärin gemacht, weil er wußte, daß er damit kein Sicherheitsrisiko einging. Und er hatte die Möglichkeiten erkannt, die in ihr schlummerten. Sie war so intelligent, daß es Verschwendung gewesen wäre, sie lediglich als Sekretärin einzusetzen.
Sasonow übers Wochenende nach Marchwood mitzunehmen, bewies Phantasie und Mut. Er bewunderte sie wegen dieses Einfalls und hoffte ihr zuliebe, daß die Unternehmung nicht mit einem Fiasko enden würde. Er hörte ein Rauschen und lächelte. Auch Innenminister gehen wie gewöhnliche Sterbliche auf die Toilette, er hatte neben dem Arbeitszimmer seinen privaten Waschraum. White saß in einem Lehnsessel und wirkte gelassen, als der Innenminister hereinkam.
Sie gaben sich die Hand und tauschten einige nichts sagende Worte über das Wetter aus. Jeder fühlte sich in Gegenwart des anderen nicht besonders wohl. Es bestand zwar ein Waffenstillstand zwischen ihnen, aber der Ausbruch offener Feindseligkeiten war stets latent. Der Minister war ein Akademiker, der erst spät ins politische Leben eingetreten war. Er war ein ruhiger, tief in humanitären Grundsätzen verankerter Mann, der das Vertrauen des Premierministers besaß, der seine Loyalität und Integrität im öffentlichen Leben zu schätzen wußte. Diese Tugenden wurden noch verstärkt durch seine Abneigung gegen autoritäre Methoden und einen gewissen Hang, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Er bot dem Brigadier eine Zigarette an und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Der Brigadier war ein Typ, den er verabscheute. Hart, ehrgeizig, skrupellos und zu allem fähig. Der Minister war einmal Zeuge gewesen, wie jemand James White als einen Ehrenmann
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