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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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der Brigadier gehörten zu dieser Kategorie. Sie konnten gar nicht anders. Es lag ihnen im Blut. Er war außerdem Patriot, und er benutzte diese Vokabel, ohne bei anderen Anstoß zu erregen. Für seine Kollegen bei Scotland Yard waren Verbrecher Feind Nr. 1. Oder die Jagdbeute. Er war ehrlich genug, den Doppelsinn zuzugeben. Für ihn war der Gegner der Terrorist, der Verräter und der Unruhestifter jeder Art. Da gab es keinen Kompromiss, keine Entschuldigung. »Aufspüren und vernichten.« Das war die Weisung, die er seinen vorzüglich ausgebildeten Männern mit auf den Weg gab. Er bewunderte James White und mochte ihn. Sie waren irgendwie seelenverwandt.
    Der Brigadier schüttelte den Kopf. »Nichts, hoffe ich, Tim. Ich brauche eine Leiche, das ist alles. Dürfte nicht zu schwierig sein. Es gibt immer mal Leute, die sterben.«
    »Was für eine Art von Leiche?« fragte er. Der Armagnac war wirklich ausgezeichnet. Er hatte den richtigen Biss. »Natürliche Todesursache, vermutlich?«
    »Nein«, sagte der Brigadier, der sich freute, ihm zuvorkommen zu können. »Ertrunken. Muß einige Zeit im Wasser gelegen haben.«
    »Aha«, sagte der Polizist. »Soll wohl schwer identifizierbar sein, was? Verstehe.«
    »Keine Fingerabdrücke«, sagte James White, »das ist wichtig. Keine Hände. Alles andere ist egal. Da können wir manipulieren. Aber Fingerabdrücke können wir uns nicht leisten. Denk mal darüber nach, Tim. Ich wäre dir sehr dankbar. Unser gemeinsamer Freund im Innenministerium sitzt mir im Nacken.« Er trank seinen Brandy aus.
    Sein Gegenüber brummte vor sich hin. »Ach, der Schuft! Weißt du, daß er der unsympathischste Innenminister ist, den wir seit zwanzig Jahren haben? Wir werden ihm nie verzeihen, daß er die Verurteilung dieses kleinen Ganoven Jim French verhindert hat.«
    »Der Bursche, der bei den Unruhen in Walthamstow einen Polizeibeamten zu Tode getrampelt hat?« fragte der Brigadier. »Ich kann mich gut erinnern.«
    »Wir wußten, daß er schuld war. Wir wußten es ganz genau. Er wurde gesehen, wie er auf unseren Mann, der bereits auf dem Boden lag, losging. Drei Zeugen haben es, unabhängig voneinander, gesehen. Aber sie wollten ihn nicht identifizieren. Hatten zu viel Angst. Zwei Frauen, die in Sozialwohnungen lebten. Der andere Zeuge war ein Polizeibeamter. Und der verhinderte die Verurteilung mit Hilfe eines technischen Details. Keine Sorge, James, diese Sache wird dich gar nichts kosten. Ich werde Nachforschungen anstellen, sobald ich wieder im Büro bin. Wasserleiche. Nähere Einzelheiten?«
    »Männlich«, sagte der Brigadier. »Etwa fünfundvierzig. Einssechsundsiebzig groß und kein Nigger.« Sie lachten beide über den Witz.
    »Keine Sorge«, wiederholte der Polizist. »Ich werde schon was Geeignetes für dich auftreiben.«
    »Salisbury Palin – ich liebe diese Gegend«, sagte Davina. Sie warf einen Seitenblick auf Sasonow. Er schaute aus dem Wagenfenster. Sie freute sich, daß er Interesse zeigte.
    »Es ist wunderschön. Und so weit. Ich habe mir England immer als ein kleines, übervölkertes Land vorgestellt.«
    »Teilweise ist es auch so«, sagte sie, »das macht seinen Reiz aus. Und die Landschaft wechselt so rasch: Man kommt von einer Grafschaft in die andere, und alles ist plötzlich ganz anders – die Gegend, die Dörfer, die Architektur. Klinker im Süden, Fachwerkhäuser in den Midlands, gelber Stein in den Cotswolds, graue Steinquader in Oxfordshire. Schiefer weiter im Norden und strohgedeckte Häuser im Südosten. Mal eine ausgedehnte Hügellandschaft, mal ganz flaches Land, sogar Gebirge, alles nur wenige hundert Kilometer voneinander entfernt. Ich finde England nie eintönig«, lobte sie.
    »Das klingt, als redete eine Russin über Russland«, sagte Sasonow. »Bloß geht es bei uns gleich um Tausende von Kilometern. Um einen ganzen Kontinent mit so vielen verschiedenen Rassen, Hautfarben und Kulturen, und alles innerhalb der Grenzen von Mütterchen Russland. Im Vergleich dazu kommt mir euer kleines Land wie ein Puppenhaus vor.« Sie lächelte und sagte: »Aber das Wetter ist besser. Das müssen Sie zugeben.«
    »Sie haben noch nie einen Sommer am Schwarzen Meer zugebracht«, antwortete er.
    »Auch keinen Winter in Sibirien«, gab sie zurück. »Dort rechts liegt Stonehenge. Möchten Sie anhalten und es sich ansehen?«
    »Und was ist Stonehenge?«
    »Uralte Ruinen«, erklärte sie und verlangsamte die Fahrt. »Ich bin als Kind oft hierher gekommen. Hier weht immer ein

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