Davina
Sasonow als aktiven Berater für unseren Sicherheitsdienst gewinnen zu können. Irgendeine Zeitvorstellung? Es wäre gut, wenn wir einen gewissen Anhaltspunkt hätten …«
»Wochen«, meinte der Brigadier. »Nicht Monate. Ich habe eine hochbegabte Mitarbeiterin zu seiner Befragung eingesetzt. Ich bin mit ihren Fortschritten sehr zufrieden.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie den Fall einer Frau übertragen haben?«
»Allerdings«, sagte White, »Frauen haben sich in meinem Dienst als sehr tüchtig erwiesen. Und jetzt haben wir ja schließlich auch eine Dame in Downing Street …« Er warf dem Minister einen bedeutungsvollen Seitenblick zu, als wolle er sich jedes geringschätzige Urteil über das weibliche Geschlecht verbitten. Dann neigte er sich vor und sagte unvermittelt: »Aber ich schweife vom eigentlichen Zweck meines Besuches ab. Die Sowjets machen seit kurzem über ihre Botschaft viel Aufhebens um den Fall Sasonow. Sie wollen uns damit nur Ärger machen, denn sie wissen ganz genau, daß er bei uns ist. Aber sie protestieren, weil wir, obwohl unsere Leute immer wieder von seinem Selbstmord reden, noch keine Leiche vorgezeigt haben. Ich bitte Sie um die Genehmigung, alles Notwendige veranlassen zu können, damit wir die Sowjets zum Schweigen bringen.«
»Sie wollen ihnen einen Toten liefern? Wo wollen Sie den denn herholen?«
Der Brigadier lachte kurz auf. Er fand Gefallen an dieser Situation. »Oh, wir werden niemanden umbringen! Um Gottes willen, nein. Ich will ihnen nur einen Toten zeigen, damit sie still sind. Ich brauche nur Ihre Genehmigung, damit wir die Gesundheitsbehörden beruhigen können, falls wir eine geeignete Person auftreiben. Das ist alles.«
»Ich schicke Ihnen das notwendige Schreiben zu. So, ich fürchte, draußen wartet schon der nächste Besucher.« Im Gesicht des Innenministers stand kalter Abscheu.
Der Brigadier dankte ihm für die Hilfe und dafür, daß er ihm seine Zeit geopfert habe. Dann verließ er elastischen Schrittes das Arbeitszimmer. Er würde das Genehmigungsschreiben bekommen und es zu den Akten nehmen. Kein Politiker würde ihm jemals vorwerfen können, ohne Einverständnis seiner vorgesetzten Stelle gehandelt zu haben. Jedenfalls nicht bei einer solchen Belanglosigkeit, einen Toten für einen anderen, Lebenden, auszugeben. Ein Dienstwagen anderem Typs erwartete ihn draußen. Er stieg ein und sagte dem Fahrer, er solle ihn ins Büro zurückfahren. Dann rief er einen alten Freund bei der Spezialeinheit von Scotland Yard an und lud ihn zum Mittagessen ein.
Nach dem Essen fragte der Mann von der Spezialeinheit, der nun ein Glas Armagnac in der Hand hielt, den Brigadier, an was für einen Gefallen er denke. White rollte eine Zigarre zwischen seinen Fingern und hielt sie dicht ans Ohr, um den Tabak nach seinem Knistern beurteilen zu können. Die alte Legende, daß die besten Havanna-Zigarren von jungen Kubanerinnen zwischen den Oberschenkeln gerollt werden, war in der älteren Generation noch immer lebendig.
»Ich brauche eine Leiche«, sagte er. »Die sind verdammt gut. Probier mal eine.«
»Zu stark für mich«, sagte der Polizeibeamte. »Ich bleibe bei meinen billigen Zigaretten.«
Sie lachten beide. Lange Zusammenarbeit und viele manchmal etwas zweifelhafte Unternehmungen hatten ein merkwürdiges Verhältnis von Freundschaft und gegenseitigem Vertrauen zwischen ihnen geschaffen.
»Billig? An dir ist nichts billig, Tim. Du hast mich schon genug Geld gekostet!« James White biss das Ende der Zigarre ab und zündete sie an. Er verachtete den umständlichen Zigarrenabschneider. Selbst Männer, denen er nie das Wasser reichen würde, benutzten ihre Zähne dazu.
»Wie teuer komme ich dich also diesmal zu stehen?« Der Mann, der an seiner Zigarette zog, war ein Profi. Er war als Polizist durch sein Können von ganz unten bis zur Spezialeinheit der Kripo aufgestiegen, die sich mit Terrorismus, Landesverrat und Subversion auseinanderzusetzen hatte. Er war ein umgänglicher Mensch mit Sinn für Humor, und er stammte aus dem gehobenen Bürgertum. Er hätte ebensogut Geschäftsmann, Börsenmakler oder irgendein Durchschnittsbürger mit einem einträglichen Beruf sein können. Aber wie James White war er vor allem ein echter Profi. Manche Menschen, so hatte er einmal gesagt, als sie beim Mittagessen eine besonders diffizile Sicherheitsoperation besprachen, bei der die Unterstützung durch seine Behörde erforderlich war, manche Menschen waren von Natur aus Jäger. Er und
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