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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Informationen, die er preisgegeben hatte, mehr als aufwiegen. Die Briten würden ihn nicht umbringen oder festhalten, wenn er seine Absicht erklärte, in die Sowjetunion zurückzukehren. Das war nicht ihre Art. Sie ließen sogar ihre eigenen Verräter fliehen. Solange er nicht bereitwillig mitmachte, war er für Whites Geheimdienst wertlos. Er drückte die Zigarette aus, stieg ins Bett und schaltete das Licht aus. Er lag in der Dunkelheit da und dachte nach. Er war sich seiner eigenen Motive nicht mehr sicher. Die Sehnsucht nach Russland setzte ihm zu. Die Ungewissheit bezüglich Frau und Tochter erzeugte in ihm den Argwohn, beide seien tot oder verhaftet, und man habe diese Tatsache nur vor ihm geheim gehalten. Wenn Davina Graham nicht gewesen wäre, hätte er vielleicht längst den Entschluß zur Rückkehr gefaßt. Er wollte einschlafen, aber die Gedanken ließen ihn nicht los.
    Er schlief schon seit Wochen nicht gut. Die Leuchtziffern auf seiner Armbanduhr zeigten einige Minuten vor drei, als er schließlich in eine Art Halbschlaf verfiel, und er wachte beim ersten Tageslicht wieder auf. Er zog die Vorhänge zurück, um den Sonnenaufgang zu beobachten, und er öffnete das Fenster, damit er das fröhliche Gezwitscher der Vögel hören konnte. Das Konzert stimmte ihn traurig. Wieder ein Tag, an dem er mit ihr auf dem Grundstück Spazierengehen, zu Mittag essen, reden und die englischen Zeitungen lesen würde. Und der Abend würde ihn wie ein Leichentuch einhüllen …
    Er war fertig angezogen und schritt im Tau auf dem Rasen auf und ab, als Davina aus ihrem Schlafzimmerfenster schaute und ihn sah. Sie rief den Brigadier unter seiner Privatnummer an und weckte ihn eine Stunde vor dem Frühstück. Er war gereizt und abweisend.
    »Das haben Sie mir gestern schon gesagt – wenn Sie Probleme haben, schicke ich Ihnen jemand.«
    »Ich mache mir ernste Sorgen. Ich möchte ein Experiment versuchen. Er muß einmal von hier weg, sonst schnappt er noch über, wenn er die ganze Zeit mit mir eingesperrt ist. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, hat er gestern abend von einer eventuellen Rückkehr gesprochen. Und ich glaube nicht, daß es nur ein Bluff war. Geben Sie mir die Erlaubnis, ihn übers Wochenende mit zu mir nach Hause zu nehmen?«
    »Was? Großer Gott, Miß Graham, was für eine ausgefallene Idee! Warum sollte ihn das freuen?«
    »Weil er Freiheit braucht«, entgegnete sie. »Vom Leben in England weiß er nichts. Er fühlt sich einsam und von allem abgeschnitten. Ich glaube, dann kämen wir weiter. Er würde mir mehr vertrauen, wenn der Besuch zu einem Erfolg würde. Lassen Sie mich den Versuch machen. Er läuft schon nicht weg, wohin sollte er gehen? Sie können ja einen Mann abordnen, der ihn dort unter Beobachtung hält.«
    Es trat eine Pause ein. »Mit welcher Geschichte wollen Sie ihn denn bei Ihrer Familie einführen?«
    »Überlassen Sie das ruhig mir«, bat sie. »Kann ich das Notwendige veranlassen?«
    »Ja.« Sein Tonfall klang jetzt nachdenklicher. »Ja, wenn Sie es für richtig halten. Grüßen Sie Ihren Vater.«
    »Vielen Dank, Sir, das werde ich tun.«
    Sie eilte zum Frühstück hinunter. Sasonow saß am Tisch, trank Kaffee und rauchte.
    »Guten Morgen«, sagte er. Mit den dunklen Rändern unter den Augen wirkte er sehr abgespannt.
    »Haben Sie gut geschlafen?«
    »Nein.«
    »Ich habe Sie heute früh im Garten gesehen.«
    »Ich brauchte frische Luft.«
    »Sie brauchen mehr als das«, sagte sie, »Sie müssen hier mal raus. Ich werde es nach dem Frühstück veranlassen.«
    »Harry, Davina kommt heute nachmittag. Sie bringt irgendeinen Mann mit.«
    Harold Graham sah genau wie ein pensionierter Marineoffizier aus, er hatte die leuchtendblauen Augen und das verwitterte Gesicht eines Mannes, der viele Jahre auf See zugebracht hat. Das Meer hatte ihm seinen Stempel aufgedrückt, ebenso deutlich, wie der Himmel ganz unmerklich die Flieger verändert. Harry Graham war der ›Typ‹ eines Seemannes, und selbst die alten Kleider, die er zur Gartenarbeit trug, konnten ihm nicht den Nimbus des Seeoffiziers nehmen. Er war ein gutaussehender Mann, nicht sehr groß, hielt sich aber kerzengerade. Er hatte ein lebhaftes, humorvolles Gesicht und eine großartige Einfachheit, die über die Veränderung der Wertmaßstäbe in einer sich wandelnden Welt einfach hinwegging.
    Er war seit siebenunddreißig Jahren verheiratet und hatte eine wirklich glückliche Ehe geführt, die in all den Jahren, die er während des Krieges fern

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