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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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hatte in keiner Weise vorgesorgt, keine Planung für Notfälle getroffen, wie beispielsweise seine Ermordung in der Wohnung des Mädchens. Dantons Meldung war unbeantwortet geblieben, bis es zu spät war, wirksame Gegenmaßnahmen zu treffen. Und als es Kaledin schließlich gelungen war, die Decknamen der Personen, auf die Bezug genommen wurde, zu dechiffrieren, hatte das Schiff bereits angelegt, und die beiden Flüchtlinge waren – wie der letzte Bericht von Major Tatitschew bestätigte – entkommen und hatten ihren verabredeten Treff einhalten können. Man hatte sie am Hafen gesehen, als sie das Segelboot mit der polnischen Flagge an der Mastspitze bestiegen. So, wie es Harrington ihm vom Schiff aus telefonisch in höchster Aufregung geschildert hatte. Das Segelboot war aufs offene Meer hinausgefahren, und obwohl Suchflugzeuge eingesetzt wurden, war es, als wollte man eine Stecknadel in einem Heuhaufen finden. Man würde ihrer nicht mehr habhaft werden können, und das U-Boot, das sie an Bord genommen hatte, befand sich zweifellos schon auf dem Weg in türkische Hoheitsgewässer.
    Nicht nur, daß es ihm nicht gelungen war, Sasonow zurückzubringen – Wolkows einzige Leistung bestand darin, daß er diesem auch noch zum Trost seine Tochter ins Exil geschickt hatte. Da war natürlich noch die Engländerin; sie stand auf der ›Alexander Newsky‹ unter Arrest. Harrington hatte ihm versichert, sie sei wertvoll, sehr wertvoll. Kaledin hatte gereizt zugehört, als der Verräter versuchte, die Lage irgendwie zu bereinigen. Sie würde als Tauschobjekt zu gegebener Zeit von Wert sein, aber nicht für Sasonow. Wolkows Lagebeurteilung betonte Sasonows herzliche Zuneigung zu Frau und Tochter. Die Frau war seine Geliebte, hatte Harrington erklärt. Kaledin tat die Information mit einem Achselzucken ab. Männer kapitulierten nicht, um eine Frau zu retten, die sie nur wenige Monate kannten. Sasonow hatte sich nicht gerührt, als seine Frau verhaftet wurde. Die Briten würden ihn nicht gehen lassen; sie hatten ihm offensichtlich diese Flucht als Köder vorgehalten, um ihn nicht zu verlieren. Je höher gespannt seine Hoffnungen, desto stärker die Reaktion, wenn sie enttäuscht wurden. Falls Wolkow Erfolg gehabt hätte und die Tochter zur Ehefrau ins Gulag gebracht worden wäre, während die britische Agentin in der Lubjanka verhört wurde, hätte sich Sasonow wahrscheinlich für die Briten als nutzlos erwiesen, und man hätte die ganze Sache aushandeln können. Der Sinn eines Mannes für seine eigene Sicherheit, auch für die Ideale, die ihn zum Überläufer gemacht hatten, hätte einer solchen Prüfung nicht standgehalten. Besonders bei einem so empfindsamen Charakter wie Sasonow nicht, dessen Gewissen durch den Tod von Jacob Belezky schwer angeschlagen war. Er war ein tüchtiger Offizier gewesen, hatte aber stets mit seinen Gefühlen Schwierigkeiten gehabt, besonders dann, wenn solche Gefühle fehl am Platz waren.
    Wolkow hatte, unterstützt von Danton, dem Doppelagenten, ein Meisterwerk an geheimdienstlicher Tätigkeit geplant. Sein Vorgesetzter saß da, trank seinen Tee und grübelte darüber nach, wie er diese Situation ausnützen konnte. Major Tatitschew saß wartend in einiger Entfernung auf einem eckigen, modernen Stuhl. Er wagte es nicht, seinen Chef zu stören oder sich auch nur zu räuspern, während der zweitmächtigste Mann in der Sowjetunion im Lichtschein der Lampe am Schreibtisch saß, Tee und Cognac trank und wie eine gealterte Schildkröte aussah, die gerade sanft entschlummerte. Tatitschew legte vorsichtig eine Hand über seine Manschette und schob diese zurück. Es war nach Mitternacht.
    »Major?« Er sprang auf.
    »Ja, Genosse Generaldirektor.«
    »Morgens fliegt doch eine Maschine nach Simferopol?«
    »Ja, Genosse Generaldirektor. Um neun Uhr.«
    »Sie werden dieses Flugzeug nehmen«, sagte Kaledin. »Sie werden zur ›Alexander Newsky‹ gehen und mit Danton sprechen. Hier, das werden Sie ihm sagen.«
    Die Nachricht kam spät am Sonntagvormittag aus der Türkei durch. Sie erreichte Grant gerade in dem Augenblick, als er zum Mittagessen gehen wollte. Sie wurde durch einen Sonderkurier von der Dienststelle in London überbracht, wo der diensthabende Chiffrierbeamte einen Fahrer angefordert hatte, sobald er den Klartext gelesen hatte.
    Grant las die Meldung. Sie war lang und sagte ihm, daß die Fluchtoperation wenigstens teilweise gelungen war. Irina Sasonowa und der Universitätsdozent seien auf

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