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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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man sein Leben hätte retten können, wenn die Behörden rechtzeitig gewarnt worden wären. Sie sei selbstsüchtig und illoyal gewesen, und der Selbstmord meines Vaters sei hauptsächlich ihre Schuld. Sie müsse umerzogen werden, um wieder ein Gefühl für ihre Pflichten als sowjetische Staatsbürgerin zu bekommen. Dann werde man sie natürlich nach Hause entlassen. Ich hätte nichts zu befürchten, ich sei eine gute Studentin und ein getreues Mitglied der Partei. Mein Leumund sei ausgezeichnet. Ich müsse mein Studium fortsetzen und könne jederzeit zu ihm kommen, wenn ich irgendeine Hilfe brauchte.«
    »Und war es wirklich so?« fragte Poliakow. Er glaubte nicht, daß die unglückliche Fedja Sasonowa nicht gezwungen sein würde, sie zu verraten.
    »Nicht so, wie er behauptet«, antwortete Irina. »Meine Mutter hat tatsächlich die Unwahrheit gesagt. Sie erzählte mir, sie habe jenen Toten identifiziert, obwohl sie wußte, daß er nicht mein Vater war. Um uns zu schützen und um die Behörden in dem Glauben zu lassen, er sei tot. Sie müssen gewußt haben, daß sie log, und aus diesem Grunde wurde sie verhaftet. Ich habe mich bei Antoni Wolkow bedankt und bin nach Hause in die leere Wohnung gegangen. Alle Nachbarn wußten, was geschehen war. Niemand wagte es, sich mir zu nähern. Die Hausmeisterin kam, um mir zu sagen, ich müsse ausziehen; ich schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Und ich schrieb den Aufsatz für Sie, mit der Zeile, die sie mir gesagt hatten.«
    »Sie tun mir leid, Irina Iwanowna, Sie tun mir sehr leid. Sie … und Ihre Mutter.«
    Er legte den Arm um sie, und sie kam näher und klammerte sich an ihn. Sie verbarg das Gesicht an seiner Brust und schluchzte einige Minuten. Er drückte sie an sich, er versuchte sie mit Worten zu trösten und strich ihr über die Haare. Kalte Wut stieg in ihm auf und verdrängte die anfängliche Angst, verraten zu werden.
    »Armes Kind«, sagte er immer wieder, während er im Innern die Ungerechtigkeit, die hartherzige Tyrannei des in seinem Lande herrschenden politischen Systems und die Ungeheuer, die es hervorbrachte, verfluchte.
    »Wir werden Ihnen helfen«, versprach er. »Unser Kreis ist nicht klein, und wir werden uns um Sie kümmern.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn an.
    »Schicken Sie meinem Vater bitte eine Nachricht. Richten Sie ihm aus, daß ich zu ihm kommen will. Wenn ich hier bleiben muß, bringe ich mich um. Können Sie das tun, Alexei – können Sie mir versprechen, daß Sie ihm diese Nachricht zukommen lassen?«
    Er nickte und sagte etwas, was sie nie zuvor gehört hatte. »Ich schwöre es bei allen Heiligen und bei der Mutter Gottes«, sagte Poliakow. »Die Nachricht wird übermittelt.«
    Elizabeth Cole klopfte an die Tür des Ersten Attaches und steckte den Kopf ins Zimmer, als er sie hereinrief.
    »Der Chef der Verwaltung möchte mit Ihnen sprechen, Sir.« Er stand auf und folgte Elizabeth sofort auf den Korridor. Sie sprachen kein Wort, bis sie in das kleine Zimmer neben dem Büro des Verwaltungsleiters gelangten. Dieses Zimmer war völlig abhörsicher. Als die Tür geschlossen war, verlor Elizabeth keine Sekunde. »Ich bin gerade von einem Treff mit der Kontaktperson der Tochter zurückgekommen«, sagte sie. »In gewisser Hinsicht ist das denkbar Schlimmste eingetreten. Die Mutter ist verhaftet worden.«
    »Verdammt.« Der Attaché, ein erfahrener und besonders tüchtiger Nachrichtenmann, unterbrach sie. »Das Schlimmste ist passiert, das kann man wohl sagen! Damit fliegt alles auf. Wo haben Sie ihn getroffen?«
    »Im Kremlmuseum, unser Treffpunkt für Notfälle«, sagte sie. »Warten Sie, vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie es aussieht. Die Tochter hat ihn aufgesucht; sie hat ihm von der Verhaftung ihrer Mutter erzählt. Sie hatte den Mut, mit Wolkow persönlich zu sprechen und die Sache zu bereinigen!«
    »Mut ist wohl kaum der richtige Ausdruck«, sagte er düster. »Der Mann ist einer der schlimmsten seit Schelepin. Fahren Sie fort.«
    »Offenbar erzählte er, ihre Mutter werde in eine Besserungsanstalt gebracht, weil sie irgendeine Lüge erzählt hätte. Er spielte den freundlichen Onkel und sagte ihr, sie brauche sich keine Sorgen zu machen, denn gegen sie liege nichts vor. Die Tochter sagte ihrem Kontaktmann, der eigentliche Grund für die Verhaftung sei der, daß ihre Mutter den Toten, den sie bestattet haben, fälschlicherweise identifiziert hat und daß Wolkow das entdeckt habe. Sie hat der Mutter die Botschaft überbracht, diese

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