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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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aber glücklicherweise noch in der Nacht vor der Verhaftung vernichtet. Die Tochter ist überzeugt, daß die Mutter nichts sagen wird, und sie weiß sowieso nicht, wer der Tochter die Nachricht überbracht hat. Worum es jetzt geht, ist folgendes. Die Tochter will rüber zu uns, um bei ihrem Vater zu sein.«
    Der Mann zog an seiner Zigarette und dachte nach. »Wir nehmen das jetzt auf Band auf und durchdenken die Sache dann, wenn wir uns den Text noch einmal angehört haben. Ich schalte jetzt das Gerät ein. Fangen Sie noch einmal von vorn an, und vergessen Sie auch nicht die kleinste Einzelheit.« Elizabeth erzählte ihre Geschichte ein zweites Mal, ohne daß er sie unterbrach, und dann hörten sie sich gemeinsam das Band an. In der Ecke stand eine Kaffeemaschine, ein von den Amerikanern übernommenes Gerät, und sie tranken beide eine Tasse. Elizabeth sah, daß er kleine Schnörkel auf ein Notizblatt kritzelte. Sie arbeitete schon lange für ihn, und diese offensichtliche Ausweichtätigkeit bedeutete, daß er wirklich scharf nachdachte. Schließlich blickte er sie an und legte den Kugelschreiber beiseite.
    »Wir müssen die Tochter herausholen«, entschied er. »Und nicht nur deshalb, weil es ihr Vater will. Falls Wolkow eine eingehende Vernehmung der armen Frau durchführen läßt, wird sie ihre Tochter mit hineinziehen, und wenn sie auch die verhaften, bedeutet dies das Ende Ihres Informationsnetzes, Lizzie. Man wird sie in der Universität wie Ratten ausräuchern. Möglich ist allerdings, daß Wolkow durch den Besuch der Tochter auf die falsche Fährte gelangt ist; vielleicht hält er sie tatsächlich für unschuldig. Falls dies der Fall ist, haben wir Zeit, ihre Flucht vorzubereiten. Aber das wissen wir erst, wenn wir herausgefunden haben, was die Leute mit der Mutter gemacht haben. So etwas wie eine Besserungsanstalt gibt es gar nicht, das ist reiner Unsinn. Entweder Gulag oder Arbeitslager. Wann wurde sie verhaftet?«
    »Letzten Donnerstag, frühmorgens«, antwortete Elizabeth.
    »Also vor acht Tagen«, sagte er. »Wenn sie jetzt Ende der Woche noch immer in der Lubjanka ist, heißt das, sie untersuchen den Fall. Und sie wird nicht lange standhalten. Ich werde über unsere Kontaktperson dort Erkundigungen einziehen. Das erste, was wir tun müssen, ist, diese Meldung nach London zu schicken. Lizzie, fertigen Sie einen genauen Bericht an, und ich setze Sie morgen früh mit dem diplomatischen Kurier in die Londoner Maschine. Sie können dem Brigadier aus erster Hand über die Lage berichten.«
    »Vielen Dank, ich fliege gern wieder mal nach Hause.«
    »Sie können achtundvierzig Stunden haben«, sagte er. »Ich werde den Fluchtweg für die Tochter von hier aus vorbereiten. Wir müssen sie so schnell wie möglich außer Landes bringen. Ich habe auch noch einige Papiere, die ich Ihnen mitgeben werde.«
    Er ließ sie in dem Zimmer allein, wo sie das Band noch einmal abspielte und begann, einen Sonderbericht für James White zu tippen. Danach löschte sie das Band, sammelte ihre Papiere ein und ging weg, um für den Flug nach London zu packen.
    Sasonow lag wach im Bett und sah, wie die Morgendämmerung auf dem Fleckchen Himmel erschien, das er vom Schlafzimmerfenster aus sehen konnte. Wie die anderen Zimmer ging auch dieses auf eine kahle Mauer hinaus, aber von seiner Stelle im Bett aus konnte er ganz oben ein Stück Himmel erkennen. Er war früh eingeschlafen, Davina lag neben ihm. Dann war er, wie er es jede Nacht tat, kurz vor Tagesanbruch aufgewacht. Seine Armbanduhr zeigte vier Uhr morgens; er brauchte das Zifferblatt gar nicht anzuschauen, um zu wissen, daß es die gleiche Zeit wie auch in den anderen Nächten war. Er versuchte erst gar nicht, wieder einzuschlafen. Er rückte von ihr ab, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte in die Dunkelheit. Er wartete auf das erste Tageslicht. Von seiner Frau war keine Antwort gekommen. Er fragte gar nicht mehr, was es Neues gäbe, denn er war zu der Schlussfolgerung gelangt, daß man tatsächlich nichts in Erfahrung gebracht hatte. Der Brigadier konnte eine Weigerung nicht endlos aufrechterhalten, und er würde es Davina anmerken, ob sie etwas vor ihm geheim hielt. Es war einfach noch keine Antwort da, und er wußte, was das bedeutete.
    Sie würden nicht kommen. Er war für sie beide tot und begraben, und sie wollten ihre Ruhe haben. Er dachte an Fedja, seine Frau, und die Erinnerung an sie war so lebendig, daß sie an Stelle der Engländerin, die ihn liebte,

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